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Archiv-Artikel

Die Pionierin

AUSSTELLUNG „Lotte Cohn. Baumeisterin im Land Israel“: Die Synagoge Celle erinnert mit einer Ausstellung an eine Architektin, die in einer Männerdomäne Pionierarbeit versuchte. Und dabei an Grenzen stieß

„Ich hätte es mir anders gedacht, als eine Gemeinschaft“

LOTTE COHN

Planungsentwürfe, Architekturfotos, Porträts, dazu erläuternde Texte – in der Synagoge Celle erinnert eine Ausstellung an eine Architektin, die sich einer besonderen Aufgabe widmete: ein Land aufzubauen. Als Lotte Cohn 1916 an der Technischen Hochschule Charlottenburg ihr Diplom erwirbt, ist sie in Deutschland eine der ersten Architektinnen mit Hochschulabschluss. 1921 wandert sie nach Palästina aus und ist dort die erste Frau unter vielen Architekten, die den Aufbau des künftigen jüdischen Staates maßgeblich beeinflussen.

Als Assistentin des Architekten und Stadtplaners Richard Kauffmann ist sie zusammen mit ihrem Chef für die bis heute typische Anlage eines Kibbuz verantwortlich, mit dem großen Saal als Treffpunkt für Veranstaltungen in der Mitte des Geländes und einem Kinderhaus ebenfalls an zentraler Stelle. In den 30er-Jahren eröffnet Cohn als erste Architektin in Tel Aviv ein eigenes Büro und beteiligt sich am Aufbau der wegen ihrer 4.000 Bauhaus-Gebäude heute als Weltkulturerbe anerkannten „weißen Stadt“.

Die Potsdamer Kunsthistorikerin Ines Sonder hat ihre aufwändigen Recherchen in dem Buch „Lotte Cohn“ zusammengefasst und dafür gesorgt, dass Cohns Werk nicht vergessen wird. In der von Sonder kuratierten Ausstellung geraten viele wichtige Aspekte dagegen leider zu kurz, etwa die Frage, welche Widerstände Cohn als Frau zu überwinden hatte und wie ihr Werk einzuordnen ist.

Eines wird in den zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen deutlich: Es geht nicht um Originalität. Der aus Europa kommende Stil des Neuen Bauens wird kopiert, dabei aber an das extreme Klima angepasst – in Palästina werden die Häuser gegen die Sonne geschlossen und die Räume möglichst zum Meereswind orientiert. Seit den 30er-Jahren muss angesichts des Ansturms jüdischer Flüchtlinge aus Nazi-Europa in kurzer Zeit mit wenig Geld möglichst viel Wohnraum geschaffen werden. Doch es gibt für Cohn zunehmend auch Aufträge von wohlhabenden Kunden mit ausgefallenen Wünschen wie etwa einem Kamin. Hat Cohn als Frau anders gebaut als ihre männlichen Kollegen? „Sie hatte einen anderen Blick und hat sich vor ihren Entwürfen zum Beispiel für einen Kibbuz eingehend mit den Bedürfnissen der künftigen Bewohner beschäftigt. Das war damals nicht üblich“, sagt Sonder.

Doch das sozialistisch-zionistische Pionierideal, eine Gesellschaft ohne Klassenunterschiede zu schaffen, das Cohn unterstützen wollte, erfüllt sich ihr nicht. Sie selber lebt jahrzehntelang alleinstehend in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Nach der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 schreibt sie: „Ich hätte es mir anders gedacht, eine Gemeinschaft oder doch Eintracht mit den Arabern + kein Krieg + auch kein Rausch für den eigenen Staat.“ Sehnsucht nach Deutschland kennt sie nicht. Ihr letzter Besuch 1954 in Berlin – ein Treffen mit ehemaligen Freundinnen, die sich als einstige NS-Unterstützerinnen herausstellen, macht ihr die Rückkehr leicht.

Insgesamt hat Cohn mehr als 100 errichtete Gebäude entworfen, darunter mit der Pension Kaete Dan das einst bekannteste Hotel in Palästina, Altenheime, Stadtbibliotheken sowie Minimum-Einfamilienhäuser. Wegen der damals oft verwendeten minderwertigen Materialien sowie der extremen Hitze und Luftfeuchtigkeit existieren davon heute nur noch wenige Bauten. Die Dichterin Else Lasker-Schüler hat die Bedeutung Cohns, die 1983 in Tel Aviv gestorben ist, so beschrieben: „Lotte Cohn ehrt man und lobt man als Baumeisterin in ganz Palästina.“ JOACHIM GÖRES

Bis zum 15. März in der Synagoge Celle, Im Kreise 24