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: Die Fußballidylle am Spielfeldrand

Die Fußballkinder von Berlin sind sieben oder neun Jahre alt, manche auch schon zehn, und sie lieben den Samstag. Die coolen, also älteren unter ihnen ziehen ihre Vereinssachen erst kurz vor dem Spiel an, die anderen schon morgens, direkt aus dem Schlafanzug in die Schienbeinschützer. Wenn, wie am vergangenen Wochenende, das Wetter gut ist, bleiben viele Eltern auf dem Vereinsgelände und beklagen sich, wie schwer es sei, wenn man ein Kind in der F-Jugend und eines in der B-Jugend hat. Die Koordination der Spiele, zu denen die Kinder mit Auto oder U-Bahn gebracht werden müssen, reibt diese Eltern auf.

Einige aber stehen auch einfach versonnen in der strahlenden Herbstsonne und beobachten ihre Sprösslinge, wieder andere backen Herzwaffeln und verkaufen sie für einen Euro, der in die Vereinskasse fließen wird. Ein Vater knipst mit seiner überdimensionierten Angeberkamera Bilder von seinen Sohn, dem das sichtlich peinlich ist, auf den Holzbänken sitzen weitere Erziehungsberechtigte und trinken Bier und Cola und rauchen Zigaretten. Die Jugendtrainer der F- bis A-Jugend sind Helden. Erwachsene, die Berufe haben und ihre Freizeit trotzdem mit kleinen Kindern verbringen. Einfach so. Weil es eben doch gute Menschen gibt.

Vor dem Anpfiff wärmt man sich auf, die blaue Mannschaft mit strenger Disziplin, die rote Mannschaft tollt einfach umher. Der Schiedsrichter ist 14 und weiß vermutlich noch nicht, dass er schwul ist. Die Linienrichter sind Väter, deren klare Parteilichkeit für die Mannschaft des eigenen Kindes sympathisch ist. Die rote Mannschaft versammelt sich, bildet einen Kreis, man hält sich an den Schultern des Nebenmanns fest, und lässt einen unverständlichen, aber nichtsdestotrotz lauten und langen Schlachtruf ertönen. Dann sieht man kleine O-Beine rennen, Ballannahmen, die erstaunen, Fallrückzieher, Kopfballduelle, Beinahetore und richtige Treffer. Wenn ein Spieler einen Ball verschossen hat, humpelt er danach 10 Sekunden, als Zeichen, dass es nicht seine Schuld war. Dann aber vergisst er diesen Quatsch schnell und rennt wieder weiter.

Die Auswechselspieler kuscheln sich an den Trainer, ganz selbstvergessen stehen sie und schauen und werden ganz sicher gleich eingewechselt. Plötzlich ist das Spiel schon wieder vorbei, am Schluss weint sich der Torwart beim Trainer aus, weil er diesen einen, ganz leichten Ball nicht halten konnte. Nach ein paar tröstenden Worten, ein bisschen Drücken und Streicheln sind die Tränen getrocknet, die Eltern spendieren noch ein Eis, und in zehn Jahren wird er vielleicht bei Hertha BSC spielen und ganz vergessen haben, wie es früher war. Obwohl ein bisschen Weinen und Kuscheln nach dem Spiel in den Armen des Trainers immer noch schön wäre. Aber jetzt ist man ja erwachsen. SARAH SCHMIDT

Am 22. 10. um 19.30 Uhr liest die Autorin in der Möbel Olfe (Reichenberger Str. 177) aus ihrem neuen Kurzgeschichtenband „Bad Dates“. Der Eintritt ist frei