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Archiv-Artikel

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Das Thema ist der Tod, doch der Film feiert melancholisch das Leben: In „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ (Regie: Uberto Pasolini) organisiert John May (Eddie Marsan) als Mitarbeiter der Londoner Stadtverwaltung Beerdigungen von einsam und mittellos verstorbenen Menschen. Leider erscheint er seinen Vorgesetzten in der peniblen Sorgfalt, mit der er nach Angehörigen sucht oder individuelle Trauerreden schreibt, nicht effektiv. Und so wird er im Rahmen von Sparmaßnahmen gefeuert, es bleibt ein letzter Fall. In dessen Verlauf wird dem kleinen mitfühlenden Bürokraten langsam bewusst, dass sich sein tristes Leben von dem seiner Klienten kaum unterscheidet. Die Frage ist, ob man der Einsamkeit mit einem kleinen Wagnis entkommen kann. Der Film sagt Ja – und bietet doch kein Happy End an. (OmU, 14. 2., Filmmuseum Potsdam)

Die Filme von Wim Wenders erzählen stets auf einer Metaebene: Sie erzählen, dass sie etwas erzählen, sie thematisieren ihre Suche nach einer Geschichte und machen den Blick der Kamera für den Zuschauer spürbar. Wenders’ 1974 entstandener Film „Alice in den Städten“ ist eines der besten Beispiele für diesen Stil: Rüdiger Vogler verkörpert darin einen Journalisten, der sich gleich zu Beginn anhand eines Polaroidfotos Gedanken über die Realität und ihr Abbild macht. Dass auf den Bildern nie das drauf sei, was man tatsächlich sieht, sinniert er – und landet wenig später in den gleichförmigen Arbeitersiedlungen des Ruhrgebiets, wo er – bloß mit einem alten Foto als Anhaltspunkt – einem Mädchen hilft, das Haus ihrer Oma zu suchen. Kann man die Realität doch greifbar machen? (12. 2., Zeughauskino; 14. 2., Lichtblick-Kino)

Damals war der amerikanische Traum noch ungebrochen: Wie die meisten Filme des Komikers Harold Lloyd ist auch „Safety Last“ (Regie: Fred Newmeyer, Sam Taylor) eine Geschichte vom Aufstieg, den man am besten mit Optimismus, Mut und erheblicher Flunkerei bewältigt. Hier schreibt er seinen Lieben in der Provinz ausgesprochene Märchen von seinem beruflichen Erfolg als Geschäftsführer eines Kaufhauses in der großen Stadt, während er tatsächlich als Verkäufer arbeitet. Der Humor entsteht aus der Diskrepanz: Als seine Verlobte ihn plötzlich besucht, muss Harold – um den Job nicht zu verlieren und um seine Braut nicht zu enttäuschen – beide Rollen spielen. Die fast zwanzigminütige Sequenz, in der Lloyd als Werbegag die Fassade des Kaufhauses erklimmt (das buchstäbliche Sinnbild für seinen Aufstieg), gehört zu den schönsten des Komikers und ist so geschickt aufgenommen, dass man ihn wirklich in höchster Gefahr vermutet. Zu sehen beim Stummfilm um Mitternacht mit Ekkehard Wölk am Piano. (15. 2., Babylon Mitte)