: Pragmatische Papa-Strategie
RADSPORT Auf Rick Zabel lastet der Schatten der Dopingvergangenheit seines Vaters. Der 21-Jährige ist aber guter Hoffnung, sich einen eigenen Namen im Peloton zu machen
AUS DOHA TOM MUSTROPH
Eine gewisse Anziehungskraft hat er auf alle Fälle. Als am letzten Tag der Dubai-Tour zwei junge Mädchen mit Stift und Zettel in der Hand vor der Startbox von Team BMC standen, da entschieden sie sich nicht für einen wie Philippe Gilbert, der immerhin schon mal Weltmeister war, sondern marschierten schnurstracks auf Rick Zabel zu. Hier im arabischen Emirat war nicht anzunehmen, dass den Schulmädchen der Vater dieses Burschen bekannt war. Rick Zabel war für sie einfach nur Rick Zabel. Und als solcher wird er immer mehr auch im Peloton wahrgenommen.
In seinem zweiten Profijahr erhält der 21-Jährige von seinem Rennstall bereits gewisse Freiheiten zugebilligt. Wenn kein ausgemachter Sprinter im Team BMC mit dabei ist, darf Zabel seine Kräfte im Finale ausprobieren. Platz 11 zum Auftakt in Dubai sprang heraus, immerhin zwei Plätze vor Top-Sprinter John Degenkolb. „Ich fühle mich ganz wohl im Sprint. Ich denke, wenn man vorn dabei ist, dann kann man auch einfach reinhalten. Das macht ja Spaß, auf alle Fälle mehr Spaß als auf Platz 70 reinzurollen“, erläuterte er gegenüber der taz.
Wenn es um Sprintfähigkeiten geht, dann drängt sich das Gespräch über den mittlerweile 44 Jahre alten Vater natürlich auf. Der gewann sechsmal das grüne Trikot des besten Sprinters bei der Tour de France, viermal den Klassiker Mailand–Sanremo und insgesamt 20 Etappen bei großen Rundfahrten. Die meisten Erfolge gelangen allerdings unter Einfluss von Doping.
Rick Zabel hat sich für das Vaterthema eine pragmatische Strategie zurechtgelegt. Er weiß um den Schatten, in dem man unweigerlich steht, wenn man der Sohn von Erik Zabel ist. „Es ist schwer, sich bei dem Namen, den ich trage, einen eigenen Namen zu machen“, gibt er zu. Er glaubt aber auch, dass ihm dies mit Erfolgen im Nachwuchsbereich – er wurde unter anderem U23-Meister im zarten Alter von 19 Jahren und gewann die Nachwuchsausgabe der Flandernrundfahrt – und ersten Achtungserfolgen bei den Profis wie Platz sechs beim Eschborn Frankfurt City Loop schon gelungen sei. „Im Profifeld nehmen mich die Kollegen mittlerweile als Rick, nicht als Sohn von … wahr.“ Er gesteht auch die Vorteile ein, die der Name mit sich bringt. In seinem ersten Profijahr habe ihm die Marke Zabel vielleicht schon etwas geholfen, als Neuling seinen Platz im Peloton zu finden, bilanzierte er letzten Sommer. Vor allem aber besteht Rick Zabel darauf, seinen eigenen Weg zu finden.
„Ich weiß nicht, ob ich jemals die Schnelligkeit meines Vaters haben werde oder die von einem Cavendish oder Kittel. Ich bin aber auch noch ganz jung. Das kann sich alles noch entwickeln“, sagt er. Die Entwicklung betreibt er tatkräftig. „Bei jedem Finale, das ich mitmache, bei jedem Sprint, den ich fahre, lerne ich dazu.“
Ob aus Rick Zabel ein Sprinter wird oder nicht vielleicht doch eher ein Klassikerfahrer, kann er gegenwärtig nicht einmal selbst prognostizieren. Auf alle Fälle hat er es sich als Ziel gesteckt, in dieser Saison in das BMC-Aufgebot für Paris–Roubaix und die Flandernrundfahrt zu kommen. „Zum Lernen“, betont er. Noch stehen persönliche Resultate für ihn nicht im Vordergrund. Er macht aber klar, dass er auf weitere Sicht höhere Ziele hat.
Bei der Rundfahrt in Katar, die er derzeit bestreitet, will er sich gegebenenfalls in die Schlacht um Etappensiege werfen. Und wenn es nicht klappt, dann hat er zumindest wieder eine Lektion gelernt. Rick Zabel ist einer, der sich mit klarem Kopf Schritt für Schritt entwickeln will. Und er hat das Glück, in einer vermutlich etwas weniger dopingverseuchten Phase seinen Beruf auszuüben. Wie viel Selbstverleugnung Betrug erfordert, wie viele Tränen aufgedeckter Betrug produziert, hat er schließlich aus nächster Nähe beobachten müssen. Ihn immer wieder daran zu messen ist nicht fair. Schließlich bestreitet er jetzt seinen ganz eigenen Weg. Daran wird man ihn messen können, dann, wenn die Richtung klar ist. Jetzt trägt Rick Zabel vor allem Hoffnung in sich.