ERICH RATHFELDER ZUR KOSOVO-PROBLEMATIK
: Die EU-Strategie ist gescheitert

Der Exodus aus dem Kosovo wirft ein Schlaglicht auf die soziale Lage der Menschen in ganz Südosteuropa. Zehntausende fliehen vor der mit Hunger verbundenen Armut, der Unfähigkeit der eigenen Regierung und der umfassenden Korruption der herrschenden Elite.

Mit der restriktiven Visapolitik gegenüber den Kosovaren – für alle anderen Balkanstaaten wurde der Visazwang aufgehoben – hat die EU versucht, den befürchteten Exodus einzudämmen. Diese Strategie ist gescheitert. Dafür sind goldene Zeiten für Schleuser angebrochen.

Kosovo mag das ärmste Land sein; aber auch in Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Makedonien und vor allem bei den Roma hat sich viel sozialer Zündstoff angesammelt. Viele verstecken ihren Hunger; die Familiensolidarität hilft über das Schlimmste hinweg. Was wird aber, wenn jemand krank wird? Eine Rente zu erhalten, bleibt überdies ein vergeblicher Wunschtraum. Das Schlimmste ist die Perspektivlosigkeit. Was soll mit den Kindern werden?

Es ist an der Zeit, die politischen und wirtschaftlichen Strategien zu Südosteuropa zu überdenken. Dass das gebeutelte Griechenland in den Augen der Kosovaren immer noch ein Schlaraffenland darstellt, mag die verzweifelte Situation verdeutlichen. Mit der Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus Syrien und anderswo ist inzwischen auch ideologisch ein Damm gebrochen. Araber und Afrikaner bekommen Hilfe, und wir?

Die Diskussion über ein vernünftiges Einwanderungsgesetz kommt im Grunde zu spät. Es müssen noch andere Ventile geöffnet werden. Und es muss endlich auf die Tagesordnung, ein überzeugendes politisch-ökonomisches Projekt für den gesamten Balkan umzusetzen.

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