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Archiv-Artikel

Keine „Reformasi“ in Kuala Lumpur

MALAYSIA Proteste nach der Inhaftierung des Oppositionspolitikers Anwar Ibrahim. Karikaturist bemängelt fehlende Unabhängigkeit der Justiz und wird wegen „Aufwiegelung“ festgenommen

Von LI

KUALA LUMPUR/BERLIN afp/ap/taz | Das harte Gerichtsurteil gegen den Oppositionspolitiker Anwar Ibrahim hat in Malaysia Empörung und Proteste hervorgerufen – und die Regierung in Kuala Lumpur reagiert scharf auf jede Kritik.

Wenige Stunden, nachdem der 68-jährige Anwar wegen homosexueller Kontakte zu einem Mitarbeiter für fünf Jahre ins Gefängnis geworfen wurde, nahm die Polizei noch am Dienstagabend einen prominenten Karikaturisten fest. Begründung: „Aufwiegelung“. Der unter dem Namen „Zunar“ bekannte Zeichner hatte auf Twitter beklagt, dass die Justiz sich der autokratisch herrschenden Regierung beuge. Seine beigefügte Karikatur zeigte einen Vorsitzende Richter, der die Gesichtszüge von Regierungschef Najib Razak trug. Gegen zwei Oppositionsabgeordnete, die das Urteil ebenfalls in Frage gestellt hatten, leiteten die Behörden Ermittlungen wegen „Aufwiegelung“ ein.

Mit dem Urteil vom Dienstag bekräftigte das Gericht seinen Spruch vom März vergangenen Jahres. Damals war Anwar zum zweiten Mal in seiner turbulenten Karriere wegen „Sodomie“ verurteilt worden. Homosexualität – auch mit willigen Partnern – ist in Malaysia strafbar. Anwar hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und bei früheren Verhandlungen auch recht bekommen.

Sein Sturz ist tief: In den 1990er Jahren galt Anwar als aufsteigender Stern der seit der Staatsgründung in einer Koalition regierenden konservativen Umno-Partei. Die muslimischen Malaien stellen die Mehrheit des südostasiatischen Landes, gefolgt von chinesisch- und indischstämmigen Malaysiern.

Als Vertreter eines modernen Staates und eines strikten Islam zugleich war er bei vielen jüngeren Malaysiern beliebt. Seine feurigen Reden, die sich gegen Korruption wandten und „Reformasi“ forderten, fanden viele Anhänger auch bei den älteren. Doch dann unterlag er im Machtkampf mit dem damals regierenden Premier Mahathir Mohamed. Der schasste ihn 1998 und ließ ihn in einem ersten umstrittenen Verfahren wegen Homosexualität und Amtsmissbrauch anklagen. Anwar ging für sechs Jahre in Haft.

Seine Frau Wan Azizah, mit der er sechs Kinder hat, übernahm den Vorsitz seiner Partei. Nach seiner Entlassung im Jahr 2004 wurde Anwar schnell zur führenden Persönlichkeit der Opposition. Bei den letzten Wahlen 2013 konnte sich die Barisan-National-Koalition Najibs nur knapp behaupten. LI