: Debattenprozess, aber geschlechtergerecht
GRÜNE Neuer Landesvorstand und neue Ausrichtung: Auf der morgigen Mitgliederversammlung zeichnen sich Kampfkandidaturen und Kontroversen ab. Immerhin: Resthumor hat sich die GAL erhalten
KURT EDLER, UR-GRÜNER
Das kann heiter werden. Mit fast zwei Dutzend Anträgen zur politischen Zukunft der Hamburger Grünen muss sich die Landesmitgliederversammlung (LMV) der GAL am morgigen Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg befassen. Dabei zeichnet sich ein brisanter Dreikampf ab zwischen dem Leitantrag des Landesvorstands, dem Papier einer Kritikergruppe um den Ex-Vorsitzenden Kurt Edler und einem weiteren Antrag der Bürgerschaftsabgeordneten Stefanie von Berg mit dezidierter Kritik an diesen Kritikern. Und wenn das überstanden ist, muss auch noch eine fast komplett neue Parteiführung gewählt werden.
Während die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank erneut kandidiert, tritt ihr Stellvertreter Anjes Tjarks nicht mehr an. Dafür bewirbt sich der Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin um den Posten des Vize-Chefs. Zu einer Gegenkandidatur kommt es um die Position des Schatzmeisters: Der Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Gwosdz will das Amt „politischer“ gestalten als der langjährige Amtsinhaber Helmut Deecke. Auch bei den vier Beisitzerposten im Landesvorstand sind mehr als vier BewerberInnen zu erwarten.
Vor den Wahlen aber dürfte stundenlang um inhaltliche Positionen gerungen werden. Fegebank und Tjarks haben in ihrem Leitantrag eine grüne Zukunft „jenseits von klassischen Lagerkonstellationen“ skizziert. „Wir müssen der Stadt erklären, wofür wir stehen“ und „die Deutungshoheit über die wichtigen Zukunftsthemen zurückerlangen und Begriffe grün besetzen“, fordern die Vorsitzenden.
Das ist auch eine Antwort auf innerparteiliche Kritik. Eine Gruppe um Kurt Edler hatte nach den Sommerferien mit harscher Kritik eine „Demokratiedebatte“ angestoßen. Sie warnte vor einem „Führerkult“, forderte Partizipation, Meinungspluralismus und Zivilcourage und verkündete das Credo „Alle Demokratie ist Streit“. Einen ausdrücklichen „Kontrapunkt“ dazu formuliert nun der Antrag von Berg, der Vorwürfe wie „Sektenwesen“ zurückweist, seinerseits aber mehr Partizipation und Kommunikation in der GAL einfordert.
Wie hart diese Debatte auf der LMV geführt wird, ist offen. Denkbar ist eine Kampfabstimmung; möglich wäre aber auch, einen im Sinne der Kritiker überarbeiteten Leitantrag zu akzeptieren und die weitere Diskussion in eine „Denkfabrik“ zu überweisen. Edler will im Gespräch mit der taz „darüber nicht spekulieren“. Er sei aber „mit dem angestoßenen Debattenprozess sehr zufrieden“, sagt der Ur-Grüne. Der Vorstand sei aufgeschlossen gegenüber der Kritik und die Bandbreite der Meinungen nicht mehr so schroff.
In der Tat scheint der GAL der Humor noch nicht völlig abhanden gekommen zu sein. Die Grüne Jugend vermisst im Leitantrag die „geschlechtergerechte Sprache“. Deshalb moniert sie Begriffe wie „Abgeordnete“ und „Hamburger“, aber auch „Mitglieder“, „Bürgerrechte“ und „Vorreiterpartei“. SVEN-MICHAEL VEIT