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Archiv-Artikel

Begabter Kombinierer

Bob Dylan oder Neil Young? Das war eine der heißen Fragen, die den Literaturwissenschaftler Heinrich Detering, 51, der jetzt zum Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewählt wurde, während seines Studiums in den Siebzigern umtrieb. Tja, wird man denken, für die ganz neuen Entwicklungen in der Populärkultur steht diese Alternative nun auch nicht. Aber immerhin. Dass man sich überhaupt mit Pop beschäftigt, galt in der vorangegangenen Intellektuellengeneration, die Detering nun beerbt, noch als No-go.

Andere Themen, über die sich Detering mit den Kommilitonen die Köpfe heißredete, waren dann aber schon: Kafka, Faust, Melville, Raabe und Luthers Rechtfertigungslehre. Heinrich Detering steht keineswegs für einen Bruch mit den intellektuellen Traditionen, sondern für eine Neubelebung. Was Spaß machen kann an diesem inzwischen bekanntesten deutschen Literaturprofessor, ist seine Lust an ungewohnten Kombinationen: Auf seiner Homepage kann man sich die Folien ansehen, die er seinen Studenten in einer Vorlesung über literarischen Realismus zeigte – und dabei auf Wilhelm Busch stoßen, den er gleichrangig mit Thomas Mann (der dann aber doch sein Leib-und-Magen-Autor ist) behandelt. Mit Gegenwartsliteratur beschäftigt sich Detering in genau am Text operierenden Kritiken; und als Juror war er maßgeblich daran beteiligt, dass so eine Außenseiterfigur des Literaturbetriebs wie Kathrin Passig 2006 den Bachmannpreis erhielt.

Heinrich Detering hat von den Göttinger Studententagen aus eine akademische Bilderbuchkarriere hingelegt, wie man sie perfekter niemals malen könnte. Zwischen Göttingen, Skandinavien, China und den USA springt er im Rahmen seiner Lehrtätigkeit inzwischen so behände hin und her wie zwischen seinen Themen. Er hat Preise noch und nöcher bekommen – aus der Dankesrede für den eminent wichtigen Leibniz-Preis stammen die Selbstauskünfte über seine Studentenzeit. Und wahrscheinlich verkörpert unter Deutschlands Literaturwissenschaftlern wirklich niemand so gut den Generationenwechsel, den die zuletzt angestaubte Akademie nun offenbar beabsichtigt. DIRK KNIPPHALS