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Archiv-Artikel

WAS WÄRE, WENN RETRO-SEXISMUS UND PRÄ-FEMINISMUS EIN KIND HÄTTEN Die rothaarige Polizistin

VON JENNI ZLYKA

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Runtertrinken ist schlimmer als Rauftrinken, als ob man es nicht wüsste: Wer den Tag mit Champagner anfängt, der darf ihn nicht mit Schraubverschlussprosecco beschließen. Aber obwohl sogar der Spätkauf gegenüber neuerdings bei Facebook ist, hat er sein Sortiment noch nicht aufgehübscht. Dafür steht statt des griesgrämigen großen Griechen seit ein paar Wochen ein junger, lockiger Neuberliner hinter der Kasse, der jedes Mal hilfsbereit „Soll ich die schon aufmachen?“ flötet, wenn man ihm Budweiserflaschen zum Bezahlen reicht.

Vielleicht manifestiert sich der Unterschied zwischen Alt und Jung außer im Digitalen ja auch in der Sitte, offene Flaschen in der U-Bahn zu leeren: Ab einem gewissen Alter tun das nur noch Tippelbrüder und -schwestern. Bei jungen Leuten sieht es dagegen immer ganz süß aus, wenn die ihre Sektflaschen und Bierdosen im Waggon kreisen lassen und in fremden Zungen über ihre Abiturprüfungen plaudern.

Am fortgeschrittenen Samstagabend wurde uns Altvorderen jedenfalls noch ordentlich blümerant, als wir nämlich endlich den Teil des .HBC-Clubs gefunden hatten, in dem die Party stattfand, auf die wir eingeladen waren, und der Prosecco eben kein Champagner mehr war, der spätere Späti-Stoff zudem verkorkt. Was soll man da sagen, ohne wie ein Snob zu wirken, wie ein mächtig betrunkener Snob? Neulich sinnierte eine Freundin darüber, was wohl der Babysitter denkt, der allwochenends vernünftige, ängstliche, mit Verhaltensregeln und Pflegehinweisen nicht geizende Eltern aus der Tür hinausgehen sieht, um sie drei bis vier Stunden später bis Oberkante Unterlippe abgefüllt und singend wieder hineintorkeln zu hören. Wahrscheinlich gibt es irgendwo eine Webseite, auf der sich Babysitter gegenseitig ihre Die-bigottesten-Eltern-Geschichten posten.

Noch effektiver krank

Sonntag musste man sich dagegen langsam auf die Halloween-Feiern am Montag einschießen, Zähne anprobieren und Werwolfklauenmaniküre betreiben. Abends ging es zur Abwechslung ins Z-inema, einen Kinoclub in einem Bar-Hinterzimmer in Mitte, in dem seit langem schon Sex-, Blax- und andere -ploitationfilme aufgeführt werden, schön mit persönlichem Eingangsvortrag und leiser Baratmo. Ohnehin sollte man sich mehr in Bar-Hinterzimmern herumtreiben, man muss ja nicht gleich illegal mit dem Glück spielen oder die neue beliebte Designerdroge „Meow“ brauen, die „Miau“ ausgesprochen wird und noch effektiver krank macht als alle anderen.

Das Kino hatte wie immer einen ausgesprochenen Lerneffekt: In „Police Woman“ von 1974 prügelt eine rothaarige Polizistin mit Schlafzimmerblick mies-fiese Mafia-Pussycats durch, die meistens im Bikini arbeiten und von einer 70-jährigen Chefin und ihrem dreißigjährigen Muskelprotz-Lover befehligt werden, dagegen sehen Demi und Ashton aus wie KlosterschülerInnen. Lacy Bond, so heißt die Actionbiene, trägt ausnahmslos High Heels und ihre roten Fingernägel zentimeterlang, was sie bei der Bedienung von Maschinengewehren kein bisschen behindert. Sie kann Auto fahren wie Steve McQueen, sich die Augen schminken wie Faye Dunaway und Karate wie der Kung Fu Panda. Nebenbei legt sie als Erstes den hübschesten Kollegen aus ihrer Einheit flach, rettet ihm hernach ein paar Mal das Leben und hebt am Ende fast im Alleingang das ganze Mafiamäusenest aus. Davon könnten sich Charlie’s Angels und sämtliche Bondgirls inklusive Dame Judi Dench als M ruhig eine Scheibe abschneiden. Wenn Retro-Sexismus und Prä-Feminismus je ein (natürlich uneheliches, aber dennoch selbstbewusstes) Kind bekommen hätten, es sähe aus wie dieser Film.