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Archiv-Artikel

DIE DREI FRAGEZEICHEN „Das ist unsinnig“

WAS SOLL DAS? Nach Protesten stoppt die Uni Ulm einen Näh- und Operationskurs an lebenden Schweinen

taz: Frau Gericke, ist es nicht sinnvoll, angehende Chirurgen erst mal an Schweinen üben zu lassen, bevor man sie auf Menschen loslässt?

Corina Gericke: Nein, gewiss nicht! Von den ethischen Gründen abgesehen, ist das schon deshalb unsinnig, weil das Schwein eine ganz andere Anatomie hat. Die einzige vernünftige Art, chirurgische Eingriffe zu erlernen, ist die Übung an lebensechten Modellen, die heute schon sehr weit entwickelt sind, gefolgt von der Assistenz bei einem erfahrenen Chirurgen. Ich möchte mich nicht von einem Arzt operieren lassen, der nur an Tieren geübt hat. Es gibt verschiedene Übungen an Tieren, die auch an anderen Universitäten durchgeführt werden. Aber der Kurs in Ulm war der einzige seiner Art. Das gilt jedoch nur für das Studium. Bei der Fortbildung von bereits ausgebildeten Ärzten gibt es so etwas immer noch. In Ulm kam aber dazu, dass unerfahrene Studenten an den Tieren üben sollten.

Sind weitere Aktionen wie die gegen den Kurs in Ulm geplant?

Ja, solche Aktionen sind durchaus wieder möglich. Wir wissen, dass es einige Firmen gibt, die solche Kurse aus rein kommerziellen Gründen anbieten. Diese Firmen verdienen damit viel Geld und lassen sich schwerer unter Druck setzen als eine Universität, die ja eine öffentliche Einrichtung ist.

Steht die mediale Aufmerksamkeit, die Tierversuche bekommen, nicht im Missverhältnis zu den Abermillionen Tieren, die für die Nahrungsmittelproduktion gequält werden?

Im Gegenteil! Tierversuche werden in den Medien oft falsch oder positiv dargestellt. Gleichzeitig erlebt der Vegetarismus eine Renaissance und wird derzeit stark thematisiert. Man denke nur an die Proteste gegen die zahlreichen neuen Schweine- und Hähnchenmastanlagen, die große mediale Aufmerksamkeit bekommen. Und außerdem kann ein Unrecht nicht mit einem anderen aufgewogen werden. Wenn in Deutschland 60 Millionen Schweine pro Jahr für die Nahrungsmittelproduktion getötet werden und an der Uni Ulm vielleicht bis 30 Tiere, wirkt das zunächst wie ein verschwindend geringer Teil. Es geht hier aber auch um ein Symbol, wie wir mit Tieren in unserer Gesellschaft umgehen.

INTERVIEW: SEBASTIAN FISCHER

■ Dr. med. vet. Corina Gericke, 48, ist stellvertretende Vorsitzende und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Vereins Ärzte gegen Tierversuche