: Verlässlich zum Sieg
SPD Olaf Scholz ist der große Gewinner der Bürgerschaftswahl. Das liegt vor allem an seiner hohen persönlichen Glaubwürdigkeit
AUS HAMBURG SVEN-MICHAEL VEIT
Es konnte nur einen Sieger geben, es konnte nur Olaf Scholz sein. Von einem „großartigen Wahlergebnis“ sprach denn auch Hamburgs SPD-Bürgermeister, als er nach der Veröffentlichung der ersten Zahlen ans Mikrofon trat. „Wir haben gehalten, was wir versprochen haben. Und wir haben uns viel vorgenommen“, rief er. Obwohl Scholz vermutlich die absolute Mehrheit verloren hat und nun einen Koalitionspartner suchen muss: Er ist politisch das Maß aller Dinge im Stadtstaat an der Elbe. Das liegt nur an ihm und seiner Fähigkeit zur politischen Analyse.
Olaf Scholz hat, zumindest sieht das ein Großteil der HamburgerInnen so, in vier Jahren Alleinregierung keinen nennenswerten Fehler begangen, und im Wahlkampf 2015 hat er alles richtig gemacht. Traumwerte sind die Folge: Ein Wahlergebnis von knapp 47 Prozent laut erster Hochrechnung, bei einer Direktwahl hätten sogar über 70 Prozent für Scholz votiert.
Zwei Gründe gibt es für diesen Erfolg. Der 56-jährige Rechtsanwalt hat sich eine hohe persönliche Glaubwürdigkeit erarbeitet, und im Wahlkampf hat er die wichtigen Themen besetzt. Vor allem die CDU leidet deshalb dermaßen unter Themennot, dass sie und ihr Bürgermeister-Kandidat Dietrich Wersich als Alternative nicht akzeptiert werden. Für beide ist der Wahlsonntag ein Desaster.
Scholz ist davon überzeugt, dass Ankündigungen im Wahlkampf und spätere Regierungsrealität deckungsgleich sein müssen. „Vertrauen darf nicht enttäuscht werden“, lautet sein Credo. Ein Politiker dürfe „nur das versprechen, was man nach bestem Wissen und Gewissen auch halten kann. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für Glaubwürdigkeit.“
Gewonnen hat er diese Erkenntnis aus seiner Zeit in Berlin als langjähriger Bundestagsabgeordneter, als SPD-Generalsekretär zu Zeiten der Agenda 2010 und später als Bundesarbeitsminister. Vordringlich sei „die Rückeroberung von Vertrauen in die demokratische Politik“, ist er seitdem überzeugt: „Alles muss gut durchdacht, plausibel und glaubhaft sein. Das ist die Basis.“ Auch die Verwirrung, die die schwarz-grüne Koalition in Hamburg nach ihrem Bruch Ende 2010 hinterließ, hatte Scholz richtig gedeutet. Nachdem das Prestigeprojekt einer „Schule für alle“ in einem Volksentscheid niedergestimmt worden war, CDU-Strahlemann Ole von Beust bocklos die Brocken hingeworfen hatte und sein Nachfolger Christoph Ahlhaus es sich mit den Grünen verdorben hatte, verkündete Scholz: „Wir wollen ordentlich regieren.“ Er gewann und holte die absolute Mehrheit.
Und deshalb verfährt Scholz seit dem Wahlsieg 2011 nach dieser Maxime. Was er ankündigte, setzte er um, was er nicht versprach, wurde nicht gemacht. Wohnungsbau ankurbeln und Studiengebühren abschaffen, sind zwei von vielen Versprechen, die er gehalten hat. Das Nein zu einer Stadtbahn und das demonstrative Desinteresse an Umweltpolitik sind ebenso konsequent. Bei Olaf Scholz, so stellt er sich dar, wissen alle, was sie bekommen. Ob es gefällt oder nicht, müssen die WählerInnen dann selbst entscheiden.
Mit diesem Kurs der Verlässlichkeit hat sich die SPD in Hamburg in der politischen Mitte, da, wo Wahlen gewonnen werden, so breit gemacht, dass alle anderen, die da auch gern wären, kaum noch Luft zum Atmen haben. Die CDU kann nicht mal mit ihren ehemaligen Paradedisziplinen innerer Sicherheit oder Wirtschaftskompetenz punkten - die SPD kommt in den Umfragen besser weg. Die Grünen sitzen fest in ihrem Ökotop knapp über der Grenze zur Zweistelligkeit ohne Hoffnung auf deutliche Besserung, weil ihre Kernthemen in der atomkraftfreien Hafenstadt an Bedeutung verloren haben. Die FDP streitet mit der CDU um das bürgerliche Viertel an WählerInnen, das ihr gemeinsames Potenzial ausmacht.
Nicht in der politischen Mitte steht einzig die Linke, welche Olaf Scholz für eine „Schlechte-Laune-Partei“ hält. Sie kämpft unverdrossen gegen Hartz IV und damit gegen Scholz selbst, die Fronten sind klar.
Olaf Scholz wird, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, weitere fünf Jahre Erster Bürgermeister in Hamburg bleiben. Und er kündigt jetzt schon an, 2020 erneut kandidieren zu wollen. So weit denkt Scholz heute, und genau so wird er die nächsten Jahre verfahren. Verlässlich.