AMERICAN PIE : Poesie des Wechsels
BASKETBALL Der nicht mehr ganz taufrische Amar’e Stoudemire versucht einen Neuanfang bei den Dallas Mavericks. Er lässt New York hinter sich, um einen Titel zu gewinnen. Das hofft der 32-Jährige jedenfalls
Mit einem Gedicht verabschiedet sich Amar’e Stoudemire. Es ist eine Ode auf die Stadt, die er nun Richtung Westen verlässt. „New York wird immer mein Zuhause bleiben“, lässt er über Instagram wissen und reimt im weiteren Verlauf „beautiful city“ auf „Jay-Z & Diddy“. Mit „Peace and Love“ grüßt er schließlich seine Fans und alle, die ihn hassen.
Ob Amar’e Stoudemire eine Zweitkarriere als Dichter anstrebt, ist nicht bekannt. Vorerst arbeitet er jedenfalls noch als Basketballprofi. Als solcher ergreift er nun die Möglichkeit, seine Jobsituation zu verbessern. Statt für die New York Knicks, die im Tabellenkeller der NBA herumdümpeln, wird Stoudemire den Rest der Saison für die Dallas Mavericks spielen, die sich selbst durchaus Chancen auf den Titel ausrechnen.
Am Montag wurde Stoudemire von den Knicks freigestellt, am Dienstag wurde berichtet, dass er den Rest der Saison in Dallas spielen wird. Der 2,08 m große Exnationalspieler war einer der äußerst raren Lichtblicke im legendären Madison Square Garden, wo das immer spärlicher werdende New Yorker Publikum in dieser Saison meist fassungslos eine historisch schlechte Mannschaft bestaunt. Aber der Abschied von Stoudemire ist trotzdem eine Win-win-Situation: Die Knicks verlieren zwar ihren Publikumsliebling, aber schaffen so Platz für den Wiederaufbau. Ein praktischer Nebeneffekt: Ohne Stoudemire dürfte New York noch mehr Spiele verlieren und damit seine Chancen erhöhen, im kommenden Draft, wenn die Nachwuchstalente verteilt werden, das große Los zu ziehen. Da ist es durchaus zu verschmerzen, dass die Knicks trotzdem wohl nahezu das gesamte 23,4-Millionen-Dollar-Jahressalär zahlen müssen, das Amar’e Stoudemire noch zusteht.
Der konnte sich deshalb entsprechend sorgenfrei nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Stoudemire braucht kein Geld mehr, er will endlich mal was gewinnen. Die Mannschaften, die für ihn interessant waren, müssen ihm bloß das vorgeschriebene Mindesthonorar zahlen, das einem Veteranen wie ihm nach 13 Jahren in der Liga per Tarifvertrag zusteht.
Trotzdem blieb der Run auf das Schnäppchen überschaubar. Denn Stoudemire ist lange nicht mehr der Spieler, der er einmal war. In seiner Blütezeit in den nuller Jahren bei den Phoenix Suns war er eine äußerst rare Mischung aus Kraft und Eleganz, verfügte zudem über ein lockeres Händchen. Den sicheren Wurf aus der Mitteldistanz besitzt er immer noch, aber seit er vor fünf Jahren einen dicken 99,7-Millionen-Dollar-Vertrag bei den Knicks unterschrieb, ging es körperlich bergab. Wegen immer neuer Verletzungen fiel er oft monatelang aus. Heute ist Stoudemire zwar erst 32 Jahre alt, aber seine Knie und Fußgelenke sind ramponiert.
Bei den Mavericks könnte er trotzdem eine gute Rolle als Ergänzungsspieler übernehmen. Seit dem Tauschgeschäft mit Boston, das Aufbauspieler Rajon Rondo nach Dallas brachte, sind die Mavs unterm Korb arg dünn besetzt. Wenn Dirk Nowitzki oder Center Tyson Chandler, beide auch nicht mehr die jüngsten, eine Pause brauchen, kommt von der Bank nur drittklassiger Ersatz. Vor allem, wenn Chandler draußen ist, haben die Mavs ein Rebound-Problem. Kein Wunder, dass sich der Center freut: „Er würde hier großartig reinpassen“, sagte Chandler, schon bevor der Deal offiziell wurde.
Die entscheidende Frage bleibt allerdings: Kann Stoudemire gesund bleiben? Übersteht sein Körper einen längeres Playoff-Rennen? „Wir haben hier die besten Betreuer in der Liga“, ist Chandler überzeugt. Tatsächlich genießt der medizinische Stab in Dallas einen hervorragenden Ruf, immer wieder in den letzten Jahren erlebten eigentlich abgeschriebene Veteranen in Dallas einen zweiten oder dritten Frühling. Auf solch einen Effekt hofft nun auch Amar’e Stoudemire. Vielleicht wird er ja in ein paar Monaten ein Gedicht auf texanische Physiotherapeuten verfassen. THOMAS WINKLER