: Endlich mit Synthesizer
WELTRAUMFORSCHUNG Das Andromeda Mega Express Orchestra stellte beim JazzFest Berlin seine neuesten Forschungsergebnisse vor
Der Name klingt immer noch nach Größenwahn, und es ist weiterhin eine große Freude, sie auf der Bühne erleben zu dürfen: Das Andromeda Mega Express Orchestra (AMEO), ein instrumentales Freibeuterkollektiv mit Weltraumambitionen, ist mittlerweile auf 18 Köpfe angewachsen. Zum Auftaktabend des JazzFest Berlin lieferte es einen Zwischenbericht seiner aktuellen musikalischen Entwicklung.
Bei den selbst ernannten Botschaftern der „Musik von einem anderen Stern“ hat sich einiges getan. Daniel Glatzel, Komponist, Saxofonist und Ansagen-Kabarettist ist nach wie vor Kommandant des Unternehmens. Und es geht in seinen Stücken wie früher munter durch die verschiedensten Genres und Stimmungen der Musikgeschichte. Hier und da klingt das Ergebnis jedoch etwas anders als vor zwei Jahren, als das AMEO sein erstes Album „Take Off!“ vor dankbarem Publikum präsentierte.
Planvolles Holpern
Das liegt zum einen daran, dass Glatzel dort, wo früher Science-Fiction-Soundtracks, Swing oder lateinamerikanische Rhythmen vorherrschten, jetzt auch schon mal verstärkt zu abstrakteren Ausgangsmaterialien greift, bei denen kleinste musikalische Einheiten unterschiedlichsten Charakters aufeinanderfolgen können. Zum anderen liegt es daran, dass es in Glatzels Truppe so manche Neubesetzung gegeben hat.
Besonders der hinzugekommene Pianist Jörg Hochapfel setzt hörbar andere Akzente: Er bedient im AMEO elektronische Tasteninstrumente, mit denen er oft leicht trashige, der Raumfahrtmission durchaus angemessene Effekte ins Spiel bringt. Gleich zu Beginn erklang mit „Saturn“ ein Stück aus dem neuen Programm, in dem Samples aller Art das Geschehen beherrschten. Aus deren kleinteilig-verschachtelten Fragmenten schälte sich erst nach und nach und mit behutsamer Unterstützung von Bass und Schlagzeug ein planvoll holperiger Groove.
Trottelige Art
An anderer Stelle wurde älteres Material in leicht abgewandelter Form dargeboten, so der Titel „Gamma Pluto Delta“ vom Debütalbum, „jetzt mit Synthesizer, endlich nach fünf Jahren“, wie Glatzel stolz verkündete. Mit der Folge, dass das Ensemble etwas schärfer klingt als früher, so, als sollten etwaige Vorwürfe einer Easy-Listening-Gefälligkeit gar nicht erst entstehen.
Dafür konnte Glatzel mit anderen Überraschungen aufwarten. Eine davon, das Abschlussstück, trug den Namen „Rainbow Warrior“ und gefiel mit hemmungslosen Disco-Rhythmen, elektronisch verfremdetem Vocoder-Gesang und Zitaten aus Beethovens Klimper-Evergreen „Für Elise“. Doch selbst aus diesem leicht heiklen Fundus weiß der begnadete Tonsetzer und Arrangeur Glatzel unerwartet Funken zu schlagen.
Glatzels Mikrofon-Ansagen gehören zum Gesamtkonzept des AMEO. In vermeintlich trotteliger Art erzählt er ausführlich von seinen Kompositionsverfahren – oder davon, dass ein Stück im Flugzeug geschrieben wurde während der Südamerikaturnee des Orchesters –, ergänzt um den Hinweis: „Das habe ich jetzt gesagt, um indirekt mitzuteilen, dass wir ein cooles Orchester sind, das rumkommt.“ Natürlich ginge das alles auch ohne solche Ironie. Es wäre aber weniger lustig. TIM CASPAR BOEHME