: Diadochen im Triebwagen
Alle Räder stehen still, und Manfred Schell ist schuld: Geht der GDL-Chef doch glatt in die Kur! Frechheit! Oder?
Wieder streiken sie, die dummen Lokomotivführer, 30 Stunden diesmal, ab heute. Und einen Schuldigen? Gibt’s auch schon: Manfred Schell, der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL). Alle Räder stehen still, weil sein schwacher Arm es will, denn: Schell kurt.
Zum ersten Mal, nach 50 Jahren im Berufsleben, ohne einen Tag gefehlt zu haben. Da habe er sich laut Bild gedacht: Jetzt ist auch mal Zeit für eine Kur, quasi zum Abschied aus dem Berufsleben. Einfach so, weil gerade noch ein wenig Zeit bleibt vor der Rente, um die ihm ja eigentlich zustehende Kur für die müden Knochen anzutreten.
Mit dieser Begründung allerdings bekäme man keine Reha bewilligt, richtet die Rentenversicherung aus. Nun, laut FAZ soll Schell vor allem sein Rückenleiden auskurieren, das er sich einst bei einem Unfall mit seinem Ferrari zugezogen hat. Ja, mit einem Ferrari. Wer da zuvor noch nicht platzte vor Wut auf den GDL-Chef, so als gestrandeter Bahnkunde, der tut es nun vor Neid – oder beidem, wenn’s nach Bild und FAZ geht. „Wir möchten dazu nichts mehr sagen“, heißt es dazu von der GDL. Verständlich. Nur so viel: „Die Kur ist vom Arzt verschrieben.“
Aber warum gerade jetzt? Der 64-Jährige hat seinen Kuraufenthalt laut GDL ja schon zweimal verschoben. Wäre da nicht noch ein drittes Mal drin gewesen? Millionenschäden für die Wirtschaft! Tausende verärgerte Bahnkunden! Und erst der geplante Börsegang!
„Herr Schell, wir warten, kommen Sie zurück an den Verhandlungstisch!“, fordert denn auch Bahn-Personalchefin Margret Suckale den GDL-Vorsitzenden auf. Der lässt prompt aus der Kur von seiner Insel im Bodensee ausrichten, das sei eine Frechheit und die Suckale müsse zurücktreten. An irgendwelche Tische setze er sich erst, wenn die Bahn zu „wirklichen Verhandlungen“ bereit sei. Schon kursieren wilde Theorien um Diadochenkämpfe bei der GDL: Welche Rolle spielt Schells Vize, Claus Weselsky? Immerhin gilt der als derjenige, der „deutlich schärfer formuliert“, als „klarer Kopf“. Fest steht nur, dass es zum ersten Mal seit Jahren für das Chaos bei der Bahn einen anderen Schuldigen gibt als immer nur den Bahnchef. Wie lange Schell auch kuren mag – erholen wird er sich nicht. TAZ
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