: Mieter brauchen nicht zu klagen
WOHNEN Ein bremisches Wohnungsaufsichtsgesetz soll MieterInnen ermöglichen, sich bei unzumutbaren Wohnverhältnissen künftig direkt an ihre Stadtgemeinde wenden zu können
Wohnraum muss laut Paragraf 3 der vorläufigen Fassung des Wohnungsaufsichtsgesetzes mindestens über
■ ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung, Schutz gegen Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit, Anschluss von Energie-, Wasserversorgung und Entwässerung, Feuerstätte oder Heizungsanlage, Anschluss für eine Kochküche oder Kochnische und sanitäre Einrichtung verfügen.
■ Die Ausstattung muss funktionsfähig und nutzbar sein.
■ Die zentrale Strom-, Wasser- und Heizenergieversorgung muss sichergestellt sein.
Die Bürgerschaft hat am gestrigen Mittwoch in erster Lesung einstimmig ein Wohnungsaufsichtsgesetz für Bremen beschlossen. Damit soll der Überbelegung und der Vernachlässigung von Wohnraum entgegengewirkt werden. Das Gesetz, findet der Eigentümerverband „Haus und Grund“, stelle einen Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechte der Hauseigentümer dar.
Wenn der Verband damit meint, es sei das Recht von ImmobilienbesitzerInnen, kaputte Heizungen, Fahrstühle oder Fenster nicht zu reparieren, dann hat er mit diesem Vorwurf durchaus Recht: Laut Gesetz dürfen MieterInnen sich nämlich bei unzumutbaren Wohnverhältnissen künftig direkt an die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven wenden, ohne zuvor gegen ihre VermieterInnen klagen zu müssen – und die Gemeinden können auf Missstände frühzeitig reagieren.
„Wenn der Aufzug nicht funktioniert“, so Susanne Wendland, sozialpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, „können wir dem Eigentümer eine Frist setzen, um ihn zu reparieren. Passiert nichts, bestellt die zuständige Behörde einen Handwerker.“ Sollte der Eigentümer die Rechnung nicht begleichen, erfolge ein Eintrag ins Grundbuch: „Damit wird die Kommune Miteigentümer und kann verhindern, dass der Besitzer mit der Immobilie spekuliert.“
Auch der Überbelegung von Wohnraum soll Einhalt geboten werden: Mindestens neun Quadratmeter pro BewohnerIn und sechs pro Kind unter sechs Jahren müssen vorhanden sein. Ist das nicht gewährleistet, kann die zuständige Stadtgemeinde die Räumung verlangen, sobald zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Neben sämtlichen Verwaltungskosten muss der Immobilienbesitzer sowohl den als auch die Umzugskosten zahlen.
Vorbild für das Wohnungsaufsichtsgesetz ist Nordrhein-Westfalen. Dessen entsprechendes Gesetz beinhaltet allerdings zusätzlich einen Passus, den die Linksfraktion auch für Bremen festgeschrieben haben will: „Die Gemeinde kann durch Satzung Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf festlegen, in denen Wohnraum nur mit Genehmigung zweckentfremdet werden darf.“ So könne verhindert werden, so Claudia Bernhard, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, dass Wohnraum in Gewerbe oder Ferienwohnungen umgewandelt würde. Den Änderungsantrag lehnte die Bürgerschaft freilich ab.
Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) warnte indes vor „falschen Erwartungen“ an das Gesetz: „Es soll Hilfe bei den krassen Fällen bieten, keine umfassende Fürsorge.“ Im weiteren Gesetzgebungsverfahren müssten außerdem noch finanzielle und personelle Strukturen geschaffen werden: „Hier kommen Vollzugsaufgaben auf uns zu, für die noch keine Ressourcen vorhanden sind.“ Das müsse Thema der kommenden Haushaltsverhandlungen werden. SCHN