: Bischof hat Boykottlust
Fuldas oberster Katholik Algermissen hetzt gegen das erprobte Sexualaufklärungsstück „Nase, Bauch und Po“
Diese Affäre gibt einen besseren Eindruck vom Stand des deutschen Kulturkampfes als jeder verwölkte Diskurs vom Papst mit dem Philosophen Jürgen Habermas – sie belegt, dass der katholische Klerus nichts von seiner Strafwut gegen Sexuelles eingebüßt hat: Heinz-Josef Algermissen, Bischof von Fulda, mobilisierte jüngst gegen das Theaterstück „Nase, Bauch und Po“, das dieser Tage im Osthessischen gastierte. Pikanterweise ist die in pädagogischer Hinsicht durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) geprüfte Truppe vom katholischen Verein Donum vitae eingeladen worden – was den Bischof allerdings nicht daran hinderte, lüsternste Gefahren für die Existenz des Abendlandes im Allgemeinen zu wittern und im Besondern die Verderbung von Kindern.
Der bischöfliche Boykottaufruf, den man in cooleren als katholischen Kreisen als Marginalie abtun könnte – was ist schon ein offenkundig dem wahren Leben gegenüber biestig und qua Zölibat ahnungsarm eingestellter Pfaffe? –, hatte freilich Erfolg: Die Vorstellung des Stücks fand weniger Publikum als erhofft. Nach Auskunft der BzgA hatten mehrere katholisch geführte Kindergärten ihren Besuch des Events nach den Alarmrufen des Bischofs storniert.
Das Stück bietet dabei nichts als das Mindeste an Aufklärung, die Kinder nötig haben könnten, um vor Sexuellem weniger Angst zu haben – fern jeder behaupteten Pornographie: „Babyalarm, Babyalarm, Mamas kleine Schwester, also meine Susi, meine Tante kriegt ein Kind“, hieß es in einem Land. Ein harmloses Unterfangen also, nicht mehr, schließlich war es doch die Kritik am pfäffischer Gräuelpropaganda wider die Lust Anfang der Siebzigerjahre, die das allgemeine Verhältnis zur Sexualität gelockert hat. Was in diesem Befund untergeht, ist der Umstand, dass der Klerus – und seine HelferInnen in Ministerien und anderen Institutionen – längst zum Kulturkampf im Geiste der falschen Fuffzigerjahre übergegangen ist: Anfang August ließ Familienministerin Ursula von der Leyern die von der freisinnigen BzgA gefertigte Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“ aus der öffentlichen Sphäre entfernen.
Die Signale der Katholiken deuten also auf ein Zurück zu alten Zeiten: Sexualität sei schmutzig, eine Sünde, allenfalls für die Reproduktion zu erlauben – und keine Quelle körperlicher Lust. Immerhin konnte der Fuldaer Bischof nicht wie seine Ahnen einfach alles verbieten lassen – gut so! Aber die Affäre beweist, dass er mittlerweile in einem Zeitgeist operieren kann, der sich der freieren Sitten wegen offenbar schämt. Und das sollte wirklich Angst machen. JAF