piwik no script img

Archiv-Artikel

Für Michael Quasthoff

ZUM 1. TODESTAG Der Patensohn, Max Wallenhorst, hat ein Gedicht über unseren Kollegen geschrieben

Max Wallenhorst

■ 18, lebt in Hannover und macht gerade sein Abitur. Michael Quasthoff, einst Mitarbeiter der taz, war sein Patenonkel.

Es ist also wirklich passiert. Du bist nicht mehr da. Man hält es ja am Ende doch nicht für möglich. Man hält es ja am Ende doch nicht aus. Nur die Hand von irgendwem, wenn man Glück hat.

Und jeden Morgen fahre ich jetzt mit meinem Fahrrad unter deinem Fenster auf dem Kopfsteinpflaster und fahre zur Schule und wenn die Sonne scheint, zerbricht das Licht in deinem Fenster, weil dein Fenster aus dem Haus herausragt. No more no vember no more.

Ein Herzschlag ins Gesicht, ein Herzschlag in die Magengrube. Die Tage werden wieder lang. Gestern habe ich bei Aldi gefragt, warum sie keinen Kaliskaya im Regal haben.

Es geht schon. Warum seid ihr eigentlich nie von hier weggegangen, ich meine, das ist Hannover, das habe ich mich gefragt, so vor ein zwei Jahren und jetzt sind nur ein zwei Jahre herumgegangen wie ich mit meinen Freunden manchmal nachts und es dämmert mir und der Morgen auch.

Du stehst in der Tür und verabschiedest dich und du sagst, dass aus mir noch mal was wird und solche schmeichelnden Sachen, und ich sage, dass du das doch nur so sagst, weil du schmeichelnde Sachen sagen willst, und du sagst, nein, du glaubst das wirklich und jetzt stehe ich in der Tür und gehe los. Gehe los in diese mittelmäßige Stadt in diesem mittelmäßigen Land in diesen Zeiten, von denen ich nichts weiß, was ich von ihnen halten soll. Die Hand von irgendwem, wenn man Glück hat.

Zu meinem 13. Geburtstag hast du mir ein Album von Tocotronic geschenkt, und jetzt schreibe ich Songzeilen auf meine Hände. Oder so ein Scheiß. Und mit 14 hast du Sartre gelesen, um anzugeben, erzählst du, aber natürlich nichts verstanden.

Und es tut mir wirklich leid, wenn ich zu traurig bin. Es gibt ja irgendwie ein Verhältnis zwischen: wie nah man sich war und wie traurig man sein darf, wenn jemand stirbt: und ich kenne das nicht so genau und wenn ich drüber liege, entschuldige das bitte. Mach dir keine Sorgen, wir machen das schon genug, mach dir keine Sorgen, wir machen das schon.

Jedes Glas Wodka, das ich in meinem Leben trinke, werde ich auf dich trinken. Und eigentlich will ich zu dir gehen, tausend Fäuste in die Luft werfen und so was schreien wie, dass wir weitermachen, und so, aber ich lasse es lieber, das wäre dir bestimmt zu kitschig. MAX WALLENHORST