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Archiv-Artikel

FLÜCHTLINGE BRAUCHT DAS LAND Helfen! Jetzt? Hilfe!

Wir retten die Welt

VON HANNES KOCH

Der Lappen liegt bei uns im Flur, ein ungelöstes Problem auf drei mal einem Meter. Die Parole in schwarzer und roter Sprühfarbe: „Refugees welcome“. Flüchtlinge willkommen! Meine 17-jährige Tochter besucht eine engagierte Schule in Berlin. Dort ist vieles möglich.

Nun ist die Frage: Hängen wir es an der Fassade unseres Gründerzeithauses auf? Meine Tochter möchte das. Mein Freund und Nachbar gab zu bedenken: Vielleicht versteht das jemand wörtlich und möchte bei uns einziehen. Ein scharfsinniger Gedanke.

Wir haben ein großes Herz in politischen Dingen. Grundsätzlich. Die kurzsichtige und menschenverachtende Einwanderungspolitik Deutschlands und der EU regt mich mächtig auf. Ein Staat wie Deutschland kann zwar nicht jeden aufnehmen, aber neben dem Asylrecht für politisch Verfolgte und der Einreisegenehmigung für Computerfachleute brauchen wir dringend einen zusätzlichen Kanal der legalen Einwanderung. Für diejenigen, die aus wirtschaftlicher Not oder auf der Suche nach einem besseren Leben kommen.

Dass unser Land das nötig hat, erklärte unlängst auch das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Denn bald werden hier Millionen Arbeitskräfte fehlen. Warum dann nicht die Schreiner, Mechaniker, Krankenpflegerinnen und Verkäuferinnen aus Niger, Tschad und dem Kosovo engagieren?

Auch manche Wirtschaftsverbände sehen das so. Die Industrie- und Handelskammern haben Angst, dass sie zu wenige Lehrlinge bekommen; die Bundesverband der Deutschen Industrie sorgt sich um den Nachschub an Ingenieuren; SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles um beide Gruppen. 400.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland pro Jahr bräuchte Deutschland eigentlich, schreibt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

So weit die abstrakte Betrachtung. Aber sollen wir die Arbeitskräftemigration fördern, indem wir in unserer Wohnung zusammenrücken? Meine Tochter: „Ich würde für eine Zeit das Zimmer räumen.“ Ich: „Wo willst du dann schlafen?“ Sie: „Vielleicht im Kabuff im Flur“ – ein Stauraum ohne Frischluft und Steckdose.

Soll ein Flüchtling im Wohnzimmer auf dem Sofa nächtigen? Dann können wir abends nicht mehr fernsehen und Musik hören. Das Zimmer meines 15-jährigen Sohnes? Seine Umzugsbegeisterung hält sich in Grenzen. Das Arbeits- ist ein Durchgangszimmer. Mein Schlafzimmer? Ich könnte aufs Wohnzimmersofa ziehen. Aber was, wenn wir als neuen Mitbewohner eine schreckliche Nervensäge bekommen? Den kann man nicht einfach zurückschicken. Mir erscheint die 120-Quadratmeter-5-Zimmer-Wohnung plötzlich ziemlich klein.

Vielleicht lassen wir das mit dem Transparent an der Fassade erst mal. Für den Anfang könnte ich Deutschunterricht geben oder Zugereiste in bürokratischen Dingen unterstützen. Wenn die Kinder später ausgezogen sind, denke ich über die Wohnungsfrage nochmal neu nach. Versprochen.