… DAS DEUTSCHLANDHAUS? : Die Architekten hereinlassen
Es soll Architekturwettbewerbe geben, von denen sich wahrscheinlich nicht wenige wünschten, sie hätten erst gar nicht stattgefunden. Im Fall des internationalen Bauwettbewerbs zum Umbau des Deutschlandhauses für das geplante Ausstellungszentrum der „Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ trifft dies sicher auch zu. Denn um das Dokumentationszentrum, den Ort und die Zusammensetzung des Stiftungsrates hatte es in der Vergangenheit massig Zoff gegeben.
Zoff um braune Soße und ideologische Schwelbrände. Wir erinnern uns an die Austritte polnischer und tschechischer Beiratsmitglieder, die dem Zentrum die Relativierung der NS-Geschichte vorhielten. Oder an Erika Steinbach (CDU), die vom Bund der Vertriebenen für den Sitz im Beirat nominiert worden war und von der manche fürchteten, sie nutze ihre Position zum Aufbau neuer Feindbilder.
Weil es so aussah – und noch immer so aussieht –, dass die Geschichte der 14 Millionen deutschen Heimatvertriebenen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die zentrale Stellung in der geplanten 3.300 Quadratmeter großen Ausstellungs- und Dokumentationsstätte einnehmen soll, das Schicksal der NS-bedingten Vertreibungen und „ethnischen Säuberungen“ in Europa des 20. Jahrhunderts dagegen Platz zwei innehat, bleibt die ganze Sache haarig. Auch architekturmäßig.
Dennoch könnte die Entscheidung der Jury, das Vorarlberger Architekturbüro „Marte.Marte“ mit dem Um- und Erweiterungsbau zu beauftragen, keine schlechte sein. Denn die Österreicher, die das 1930 errichtete Deutschlandhaus an der Stresemannstraße für die Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Büroflächen sowie eine Mediathek umbauen und erweitern sollen, könnten zumindest baulich die Chose aus den Schlagzeilen und nach vorne bringen. Denn ihre Handschrift ist modern, kontrastreich und sie gehen spannungsvoll mit dem Raum um, wie beispielsweise ihr Entwurf für das Museum in Schruns (Montafon) belegt. Wäre es da nicht möglich, dass gute Architektur die revisionistischen Anwandlungen des Konzepts ausräumt?
Die Jury hat den „Marte.Marte“-Beitrag gemeinsam mit dem des Dresdener Architekturbüros „F29“ auf Platz eins gesetzt. Welcher der beiden Entwürfe verwirklicht wird, soll eine Prüfung der Kosten bringen. „Marte.Marte“ haben da auch Vorteile. Sie bauen hochfunktional – ganz gut für ein Projekt voller Emotionen.
ROLF LAUTENSCHLÄGER Foto: ap