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Archiv-Artikel

Warten auf Sean Penn

PROTEST Flucht in den Keller oder ins Ausland? Zwei Iranerinnen im Porträt

Sepideh ist traurig über Nedas Abschied. Aber es ist nicht der erste. Fast alle Freunde sind gegangen

VON FELIX HERRMANN

Es ist Feiertag, alle haben frei. An diesem Tag wird gegen Israel protestiert. Die Regierung hat seit gestern das Internet ausgeknipst und man hat mir geraten für die nächsten zwei Tage lieber nicht auf die Straße zu gehen. Sepideh und ich lungern in ihrer Kellerwohnung in Teheran, schauen Filme, vor allem deutsche. Der Filmdealer hatte uns neuen Stoff besorgt. Nun schauen wir Blechtrommel, Fitzcarraldo, Das Leben der Anderen.

Sepideh* zeigt mir ein Foto, es ist ihr Freund. Er sieht aus wie Sean Penn. Sie wollten heiraten, aber seine Mutter war dagegen, weil Sepidehs linke Gesichtshälfte gelähmt ist. Es ist ein kleiner Schönheitsfehler, doch er genügte, die Heiratspläne zu vereiteln. Seitdem hat sich Sean Penn Bedenkzeit erbeten, das war vor einem Jahr. Sepideh hat ihm ein Ultimatum gestellt. Sie glaubt aber nicht, dass er zurückkommt. „Wir sind zwar modern im Iran, aber gegen die Familie kann niemand heiraten.“ Nicht zu heiraten bedeutet im Iran letztlich kein gemeinsames Leben führen zu können.

Es ist Ramadan, Essen und Trinken ist gesetzlich verboten. Sepidehs Freundin Neda und ich sitzen auf einer Wiese und machen Picknick. „Du und ich, wir machen politischen Protest“, sagt sie und brüllt vor Lachen. Vor zwei Jahren standen die beiden noch hier und haben zusammen mit der Grünen Bewegung protestiert. Jetzt ist Neda guter Laune. Besteht sie ihre Deutschprüfung, bekommt sie einen Studienplatz in Wien, wo ihr Freund, der geflüchtet ist, auf sie wartet.

Tatsächlich hat sie die Prüfung bestanden. Ihre letzte E-Mail überfällt mich mit Fragen, zu Wien, den Temperaturen dort und der passenden Kleidung. Auch Sepideh hat geschrieben. Sie ist traurig über Nedas Abschied. Aber es ist nicht der erste. Fast alle ihre Freunde sind gegangen, und auch wenn Neda versichert, dass sie zurückkehrt, glaubt Sepideh nicht daran.

Ihr Ultimatum an Sean Penn ist abgelaufen. Er muss weiter nachdenken. Es wird immer einsamer um sie. „Ich werde den Iran niemals verlassen“, sagt sie. Und wann kommt die Revolution? „Vielleicht in 20 Jahren, das Problem ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein gesellschaftliches, schau dir Sean Penns Mutter an. Bevor eine Revolution kommt, müssen auch wir Iraner uns ändern.“

Paniz, die die Berliner Ausstellung „Interrupted Lives“ kuratiert, sagt, dass alle Iraner, die das Land verlassen haben, ihr Leben lang mit der Flucht hadern. So gibt der Konflikt allen Seiten das Gefühl, gescheitert zu sein. Denjenigen wie Neda, die den Iran verlassen, und denjenigen wie Sepideh, die sagt: „Lieber weiter Filme schauen, lieber aus der Realität flüchten als aus dem Iran.“

*Namen geändert