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Archiv-Artikel

… das Münchener Hofbräu? Berliner berauschen

Die Karl-Liebknecht-Straße zwischen Alexanderplatz und Mollstraße hat wenig von Münchener Gemütlichkeit. Genau genommen gar nichts. Grau, stark befahren, trostlose Plattenbauten. Aber was soll’s: Auch der Chef der am Wochenende eröffneten Hofbräu-Großgaststätte ist kein Münchner, sondern kommt aus Hamburg.

Drinnen ist alles klischeemäßig überbayerisch: Die Kellnerinnen tragen Dirndl in allen Variationen: mit kurzem oder langem Rock, blau, rot, sogar ein pinkes Modell ist zu sehen. Die Lederhosen der Männer verraten die Tribal-Tätowierungen auf den Waden. Gut 2.500 Gäste finden auf zwei Kilometer Bierbänken Platz. Es riecht nach frischem Holz und noch nicht nach verschüttetem Bier. Weiß-blaue Fähnchen hängen überall, an den Wänden prangen erbauliche Sätze wie „Bessa zwoa Ring unta de Augn ois oa Ring am Finga“. Nur die prächtigen Kronleuchter wirken fremd hier.

Am Samstagabend ist das Gedränge groß, man steht Schlange vor dem Eingang. „Wer nicht reserviert hat, muss fast eine halbe Stunde warten“, weiß ein Kellner. Gleichzeitig treten viele Gäste vor die Tür, um zu rauchen. Die besagten Ringe unter den Augen haben fast alle. Drinnen wird man platziert. Das Gelächter ist laut, Männer umarmen sich, ab und zu stimmt jemand ein Sauflied an, ohne auf die Musik zu achten. Eine Band spielt die besten Schlager aller Zeiten, später stehen Schotten mit Dudelsack auf dem Programm.

Ein Pärchen am Tisch kämpft sich durch eine riesige Bayern-Platte. Die Schweinshaxn sind geschafft, Leberkäs, Weiß- und Rostbratwürstl warten noch in der Pfanne. Gespült wird mit Maßbier, die dunkelroten Wangen des Mannes beweisen es.

Vor der Bühne tobt das Leben: Ältere Paare tanzen zu Wolfgang-Petry-Hits, jüngere Menschen schwanken im Takt auf den Bänken. Wenn die Band zum „Prosit“ ansetzt, schwingen die Maßkrüge in der Luft. Abseits der großen Halle gibt es sogar einen Shop. Wer sein Geld noch nicht versoffen hat, findet hier weiß-blaue Shirts, Mützen und Schals mit „HB“-Logo. Hertha Berlin? Nein: Hofbräu.

Als „Marmor, Stein und Eisen bricht“ erklingt, mischt sich Romantik in den Rausch. Der Mann mit den roten Wangen versucht, seine Begleitung für einen Tanz zu begeistern. Vergeblich. „Alles, alles geht vorbei“, dröhnt es. Das wird sich unser Besucher selbst sagen, wenn er am Morgen nach seiner Überdosis Fleisch und Bier verkatert erwacht.

BARBARA CUNIETTI Foto: ap