: Joggen für die Statistik
Der Senat wollte wissen, wie sportlich die Berliner sind. Ergebnis: Knapp zwei Drittel radeln, laufen oder schwimmen mindestens einmal pro Woche
Ehrhard Körting (SPD) geht mit gutem Beispiel voran. „Ich war heute Morgen schwimmen, das mache ich einmal in der Woche“, plaudert der Senator für Inneres und Sport am Montag aus dem Nähkästchen. Anlass ist eine Pressekonferenz, in der Ergebnisse einer Umfrage zum Sportverhalten der Berliner vorgestellt werden.
Im vergangenen Jahr wurden rund 30.000 Hauptstädter zwischen 10 und 80 Jahren aus Mitte, Pankow und Lichtenberg zu ihren sportlichen Aktivitäten befragt. Wer treibt wann wie oft wie lange welchen Sport? Und: Allein oder mit anderen, im Verein oder im Fitnessstudio?
Das Ergebnis kann sich, nach Ansicht des Senators, durchaus sehen lassen: „Berlin ist eine ausgesprochen sportfreudige Stadt“, freut sich Körting. Dabei treiben Junge mehr Sport als Alte, Männer geringfügig mehr als Frauen und Berliner mit deutschem Pass etwas mehr als jene ohne. Aber insgesamt raffen sich 72 Prozent aller Befragten zumindest hin und wieder zu einem Spaziergang, einer Radtour oder einer Nordic-Walking-Runde auf. Knapp zwei Drittel treiben sogar regelmäßig Sport, also mindestens einmal in der Woche.
„Wir haben den Sportbegriff in der Umfrage allerdings sehr weit gefasst“, gibt Klaus Rauppach von der Senatsverwaltung für Sport zu. Er hat die Studie geleitet. Zwischen A wie American Football und W wie Wellenreiten gilt laut dem Fragebogen auch der Spaziergänger und Radfahrer und sogar der Schachspieler als sportlich aktiv. Und es blieb den Befragen überlassen, was sie als Sport betrachten – die ganztägige Radtour und den Halbmarathon oder schon den täglichen Fußweg zur Arbeit.
„Interessant ist, dass 63 Prozent aller Bewegungsaktivitäten allein und privat organisiert werden“, sagt Körting. Sport werde nicht mehr in erster Linie in der Halle oder auf dem Sportplatz getrieben, sondern auf der Straße, im Park und im Wald. Traditionelle Vereinssportarten wie Basketball und Volleyball spielen keine große Rolle mehr. Selbst Fußball, der Volkssport der Deutschen, ist laut der Umfrage auf den fünften Platz der beliebtesten Sportarten abgerutscht. Stattdessen gehen die Berliner lieber joggen, schwimmen und Rad fahren. Leistungssport werde immer unwichtiger, erklärt sich Körting diese Entwicklung. Motive für Sport seien zunehmend Gesundheit und – besonders bei Frauen – der Wunsch nach einer schlanken Figur. „Sport ist nicht mehr nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern auch Gesundheitsprophylaxe.“
Trotzdem warnt Christian Wopp, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat, vor allzu viel Enthusiasmus. „Auch wenn Berlin mit über 70 Prozent im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten gut positioniert ist, gibt es Handlungsbedarf“, sagt der Trendforscher aus Osnabrück. Insbesondere ältere Menschen, Mädchen mit Migrationshintergrund und Menschen mit niedrigem Bildungsniveau würden viel zu wenig Sport treiben. „Die Umfrage liefert zwar Hinweise zur Nachfrage, aber keine Patentrezepte für die Politik“, so Wopp. Und wenn 72 Prozent aller Berliner sich ab und zu bewegen, bedeute das eben auch, dass mehr als ein Viertel das nicht schaffen. NANA GERRITZEN