OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv, frisch gesichtet

In den 1950er Jahren galt Inge Brandenburg als Deutschlands beste Jazzsängerin. Inge wer? Längst ist die Interpretin in Vergessenheit geraten, denn die Musik, die sie liebte, konnte man einem größeren Publikum nicht vermitteln. Zumindest behaupteten dies die Plattenfirmen, die Brandenburg lediglich Schlagerplatten aufnehmen ließen – und auch die wurden nie ein Erfolg. Anders als andere Musiker, die sich mit diesem musikalischen Spagat besser arrangieren konnten, scheiterte die eigenwillige und im Umgang mit anderen Menschen offenbar wenig konziliante Inge Brandenburg letztlich an der Diskrepanz zwischen ihren eigenen künstlerischen Ansprüchen und der von kommerziellen Erwägungen beherrschten Realität. 1999 verstarb sie einsam und verarmt an den Spätfolgen ihrer Alkoholsucht. In seiner Dokumentation „Sing! Inge, Sing! – Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg“ zeichnet Regisseur Marc Boettcher (der auch schon Bert Kaempfert und Gitte Haenning porträtiert hat) akribisch Lebensgeschichte und Karriere der Sängerin mithilfe von Bild- und Tondokumenten sowie Interviews mit einstigen Weggefährten nach. Dabei gibt er vor allem ihren (TV-)Performances viel Raum, die faszinierend belegen, dass mit Brandenburg eine Interpretin von Weltformat schlicht übersehen wurde. (12.–13. 11., Eiszeit 1)

Die Menschen werden immer älter, immer mehr Leute erkranken an Demenz. Die Angehörigen sind überfordert, zum Stress mit der Pflegearbeit kommt die Veränderung im Charakter des Kranken oft noch dazu: Der einst geliebte Mensch ist nicht mehr der, den man früher kannte. In dieser Situation befindet sich auch die Hauptfigur in der HFF-Diplomarbeit „Vergiss dein Ende“ von Nico Woche (Drehbuch) und Andreas Kannengießer (Regie). Seit Jahren pflegt Hannelore (Renate Krößner) ihren demenzkranken Mann Klaus, doch eines Tages hat sie die Nase voll: Erschöpft und gleichermaßen depressiv wie lebenshungrig besteigt sie kurzerhand einen Zug und überlässt Klaus dem ziemlich überforderten Sohn Heiko (Eugen Krößner). Während der nun erstmals richtig spürt, wie das so ist mit Waschen, Füttern und Windelwechseln, trifft Hannelore auf ihrer kleinen Odyssee einen Nachbarn, der seinerseits in einer Krise steckt, weil er gerade seinen Lebenspartner verloren hat. Wenngleich geringfügig überkonstruiert, weiß das Drama mit einer differenzierten Charakterisierung der Figuren und erstklassigen schauspielerischen Leistungen zu gefallen. (12.-13. 11., Babylon Mitte)

Im Grunde ist Howard Hawks’ Stadtwestern „El Dorado“ (1965) eine Art Remake seines eigenen Klassikers „Rio Bravo“ (1959): Offenbar hatte dem Regisseur die Idee mit den gehandicapten Figuren, die Recht und Gesetz gegen Schurken durchsetzen müssen, so gut gefallen, dass er sie gleich noch einmal verwendete. Also humpelt John Wayne auf Krücken durch die Gegend, und Robert Mitchum spielt den versoffenen Sheriff, der nur langsam seine Selbstachtung wiedergewinnt. Schließlich muss getan werden, was getan werden muss. (OF, 11. 11., Arsenal 2) LARS PENNING