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Archiv-Artikel

Jugend droht die Straße

Seit 26 Jahren hat sich „Unser Haus“ als anerkanntes Jugendzentrum in Bergedorf etabliert. Nun könnte es geschlossen werden. Anwohner fühlen sich in ihrer Ruhe gestört und klagen

VON JAN DREYLING

Auf der Bundesstraße fahren täglich 22.000 Autos. Eine belastende Lärmquelle für die Anwohner könnte man meinen. Doch einige Nachbarn um die Wentorfer Straße 26 in Bergedorf stört etwas anderes: der Lärmpegel um das Jugendhaus „Unser Haus“.

Eine Klägerschaft hat im Frühjahr beim Landgericht Hamburg eine Unterlassungsklage wegen Ruhestörung eingereicht. Sollte der Klage stattgegeben werden, muss der Vorstand von „Unser Haus“ für jede weitere Störung mit einer Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro oder mit sechs Monaten Haft rechnen. Das wäre das Aus für das Haus.

Das selbstverwaltete Jugend-, Freizeit- und Kulturzentrum ist für viele Bergedorfer in seiner 26-jährigen Geschichte ein zweites Zuhause geworden. Neben Tanz-, Bastel-, Computer- und Antifa-Gruppe ist das offene Café Flop ein Treffpunkt: „Oft sind hier 50 Leute aller Altersklassen im Haus“, sagt Nina, eine Mitarbeiterin. Das Haus hat sich von seiner ehemals extrem linken Position weitgehend gelöst. Heute ist es eine anerkannte Institution, sagt Peri Arndt von der Bergedorfer SPD: „Die Jugendarbeit im Haus wird inzwischen von allen hier sehr geschätzt.“

Dass es an einem lebhaften Ort auch laut ist, stört Frau B., Zeugin der Klägerschaft, seit fast 15 Jahren. Die ältere Frau wohnt in einem roten Zweifamilienhaus direkt gegenüber des hellblauen Jugendhauses. Dazwischen liegt die Bundesstraße. Einmal haben die Jugendlichen selbst den Lärm gemessen. Die Lärmspitzen lagen allerdings bei den vorbeirauschenden Autos und nicht beim laufenden Konzert im Jugendhaus.

Doch Frau B. wurde von lauter Musik, zugeschlagenen Türen und Geschrei auf der Straße beim Nachhauseweg in den letzten Jahren immer wieder aufgeweckt. Es gab viele Gespräche. Doch die Versprechen auf Besserung wurden nach Ansicht der Klägerschaft nach kurzer Zeit stets wieder gebrochen. Darum hat Frau B. die jüngsten Ruhestörungen für die aktuelle Klage protokolliert. Mit dieser solle endlich eine verbindliche Ruhe hergestellt werden, sagt Rechtsanwalt Andreas Schott.

„Für mich ist die Klage nicht überraschend“, sagt Jens, der seit zwölf Jahren für „Unser Haus“ aktiv ist. Das Jugendzentrum versuchte stets ihrer Nachbarin entgegenzukommen: Nur eine Konzertveranstaltung monatlich, kürzere Öffnungszeiten des Cafés und Schließung des Haupteingangs, der zur Nachbarin zeigt. Immer ohne Erfolg.

Am 7.11. ist beim Landgericht nun die erste Ladung. Dort wird das Jugendzentrum von Rechtsanwalt Dirk Audörsch vertreten, der noch auf eine „einvernehmliche dauerhafte Einigung“ ohne Urteil hofft. Denn viele Störfälle seien nicht direkt dem Haus zuzuschreiben, und auch die Höhe der „Geräusch-Emission“ sei bisher sehr subjektiv bewertet.

Bis zur richterlichen Entscheidung wollen die Jugendlichen auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Dazu sammelten sie am letzten Samstag bereits 300 Unterschriften. Und am kommenden Samstag wollen sie mit einem demonstrativen Schweigemarsch durch Bergedorf ziehen. Ganz leise.