Weltraum-Lupe für die Bundeswehr

Bisher konnten es nur Russland und die USA. Jetzt kann auch die Bundesrepublik nachts und im Dunkeln vom Weltall aus die Erde überwachen – dank Radarsatelliten aus Bremen. Gestern startete die dritte Stufe des Systems

Eine russische Trägerrakete hat in der Nacht zu Donnerstag den dritten von fünf deutschen Radar-Spionagesatelliten über dem Indischen Ozean ausgesetzt. Mit Hilfe der in Bremen gebauten so genannten SAR-Lupe verfügt Deutschland nun neben den USA und Russland als dritter Staat über eine Satellitenaufklärung, die unabhängig von Tageszeit und Wetter ist. Die SAR-Lupe ist nicht in ein europäisches Kommandosystem eingebunden, sondern steht unter alleiniger Kontrolle der Bundeswehr.

Hergestellt wurde die Weltraum-Lupe von einem Konsortium unter Leitung des Bremer Satellitenkonzerns OHB. Die letzten zwei Satelliten des schon jetzt betriebsfähigen Systems werden in den kommenden Monaten gestartet. Noch liegt die Kontrolle beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen, in den nächsten Wochen wird die Betriebsleitung an eine Bodenstation der Bundeswehr nahe Bonn übergeben. Die nur wenige Kubikmeter großen Satelliten kreisen in rund 500 Kilometer Höhe über der Erde. Auf ihren Bildern sind Objekte mit einem Abstand von weniger als 80 Zentimetern zu erkennen – selbst nachts und unter einer Wolkendecke. Bisher musste die Bundeswehr solche Satellitenbilder bei Bedarf von den USA kaufen. Der Hersteller spricht von Kosten in Höhe von 315 Millionen Euro für das System, intern werden die aktuellen Gesamtkosten bei der Bundeswehr mit 746 Millionen Euro angegeben.

„Die Bundeswehr wird so autonomer, kann vieles nun selbständig einschätzen“, sagt Ottfried Nassauer vom Berliner Institut für Transatlantische Sicherheit. Ein erster Praxisversuch sei im Rahmen des Eufor-Einsatzes der Bundeswehr im Kongo erfolgt, sagt Malte Lümann von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. „Die SAR-Lupe ist ein integraler Bestandteil der weltweiten Interventionsfähigkeit.“ Schon lange hätten deutsche Militärs die Abhängigkeit von den US-amerikanischen Aufklärungsdaten kritisiert. Während des Kosovo-Krieges im Jahr 1999 sei es gar zum offenen Streit gekommen: Die Amerikaner hätten damals nicht alles weiter gegeben, was die Europäer verlangten. „Spätestens dann ist die Entscheidung für die SAR-Lupe gefallen.“ Das System ermögliche es der Bundesrepublik, militärisch tätig zu werden, sagt Lümann – auch gegen die Interessen der USA . CHRISTIAN JAKOB