„Maddie“ statt „Maggie“

Gestern dürften viele englische Leser insgeheim ihren Frieden mit den Deutschen und ihrem angeblich so ungelenken Humor gemacht haben – eine „Titanic“-Satire sorgt für Aufsehen

VON ARNO FRANK

Die depressive Seifenoper „Maddie, wo bist du?“ geht erneut in eine manische Phase. Kaum ein britisches Boulevardblatt, das am Donnerstag nicht schäumend über eine doppelseitige „Anzeige“ berichtete. In seiner aktuellen Ausgabe karikiert das verhältnismäßig kleine deutsche Satire-Magazin Titanic die weltweite Suche nach der in Portugal verschwundenen Maddie McCann. „Sick“ findet das The Sun, „extremely hurtful“ die Daily Mail.

Nun lassen die Eltern ihre Anwälte eine Klage gegen Titanic prüfen und ihren Pressesprecher Clarence Mitchell verkünden, die Satire sei „total krank, sehr schmerzhaft und nicht lustig. Der Gebrauch von Madeleines Foto in diesem Zusammenhang ist extrem belastend für Kate und Gerry und zollt auch Madeleine keinen Respekt.“

Wichtig ist hier die Vorgeschichte: Respektlos und belastend für Kate und Gerry McCann, die von der portugiesischen Polizei noch immer als verdächtig eingestuft werden, waren zuletzt eher beharrliche Nachfragen seitens der englischen Presse, warum sie ihr Häuschen in Rothley mit Spendengeldern für die Maddie-Suche abbezahlt haben.

Ein klarer Fall also für einen Profi wie Clarence Mitchell, der stets brav als „Pressesprecher“ der McCanns bezeichnet wird, obwohl er doch zuvor als „spin doctor“ für die Regierung des Tony Blair gearbeitet und in gleicher Funktion für die McCanns schon ganz andere Kohlen aus dem Feuer geholt hat. Da kommt, bei Kritik an den Eltern oder abflauendem Interesse an dem Fall, eine „geschmacklose“ Satire aus Deutschland gerade recht – zumal sich der britische Boulevard ohnehin seit Monaten von Mitchell instrumentieren lässt. So richtig aufhetzen lassen will sich die britische Öffentlichkeit aber bisher seltsamerweise nicht.

Es ist seit dem Verschwinden des Mädchens auf der Insel kein einziger Tag vergangen, an dem nicht irgendwo ihr Foto gedruckt worden wäre, meistens sogar auf der Titelseite.

Auf genau diesen Medien-Hype haben es die Titanic-Macher mit ihrer Satire abgesehen, wie Chefredakteur Thomas Gsella erklärte, es handele sich um eine „klassische Mediensatire“, eine „Entschuldigung“ werde nicht in Erwägung gezogen. Redakteur Oliver Nagel präzisierte, die Satire sei „nur für das deutsche Publikum“ bestimmt. Es sieht ganz so aus, als fände sie nun dank der Verbreitung in britischen Medien auch ein englisches – und das ist mit schwarzen Satiren bekanntlich vertraut: „Wer hat behauptet, die Deutschen hätten keinen Humor?“, fragt ein Leser im Forum von The Sun. Die Karawane freilich zieht unterdessen weiter: Der Daily Express erwähnt die Titanic mit keinem Wort und geht einer viel spannenderen Frage nach: „Ist Madeleine eine Kindersklavin in Marokko?“