: Der zwielichtige Saubermann
Er war als Saubermann angetreten. Stuart Gulliver sagte, er wolle die krisengeschüttelte Bank HSBC reformieren, als er 2011 dort als Geschäftsführer antrat. Der größten Bank Europas wird vorgeworfen, dass ihre Genfer Niederlassung Milliardenbeträge im Auftrag von Steuerhinterziehern, Diktatoren und Terroristen versteckt habe. Das geht aus Dokumenten hervor, die ein Exmitarbeiter der Bank 2008 entwendet hat. Öffentlich bekannt wurden sie aber erst jetzt, nachdem Medien verschiedener Länder gemeinsam recherchiert hatten.
Nun ist Gulliver selbst ins Zwielicht geraten. Aus den Unterlagen geht hervor, dass er Begünstigter eines Schweizer HSBC-Kontos einer dubiosen Firma aus Panama war. Auf dieses Konto wurde bis 2003 sein jährlicher Bonus eingezahlt. Das läpperte sich auf 7,6 Millionen Pfund zusammen. Gulliver behauptet, er wollte so seine Boni vor den Kollegen geheim halten.
Gulliver wurde 1959 im englischen Derby geboren, ging in Plymouth zur Schule und studierte danach Jura in Oxford. Dort machte er sich einen Namen als Boxer: 1980 nahm er an einem Eliteprogramm von HSBC teil und stieg danach schnell auf. Er arbeitete in der globalen Bank- und Marktabteilung und wurde als Direktor an Schlüsselpositionen in London, Hongkong, Tokio, Kuala Lumpur und in den Vereinigten Arabischen Emiraten eingesetzt. Als HSBC-Geschäftsführer Stephen Green 2011 als Staatssekretär für Handel und Investment in die Politik wechselte, übernahm Gulliver seinen Posten. Im selben Jahr setzte Bloomberg Markets ihn auf die Liste der 50 einflussreichsten Personen.
Gulliver wohnt heute im vornehmen Londoner Stadtteil Kensington. Sein offizieller Wohnsitz ist aus Steuergründen jedoch Hongkong. Dass er keine Abgaben in seinem Heimatland zahle, rechtfertigte er so: „Ich erwarte, im Ausland zu sterben.“
Gulliver musste im vorigen Jahr Kürzungen seines Gehalts hinnehmen, weil HSBC in den USA 1,2 Milliarden Dollar Strafe wegen der Manipulation von Wechselkursen und Geldwäsche zahlen musste. Er bekommt jetzt 1,2 Millionen Pfund im Jahr, dazu eine „Aufwandsentschädigung“ in Höhe von 1,7 Millionen plus Boni. Darben muss er also nicht.
RALF SOTSCHECK