Ohne Schill kein Kinderknast

Ex-Innensenator Ronald Schill berichtete im Untersuchungsausschuss, wie er die Sozialsenatorin unter Druck setzte, ein geschlossenes Jugendheim einzurichten und Ausbrüche zu verhindern. SPD will jetzt Schnieber-Jastram laden

Der frühere Innensenator Ronald Schill hat CDU-Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram zu Zeiten der Schwarz-Schill-Koalition unter Druck gesetzt, um das geschlossene Heim für straffällige Jugendliche in der Feuerbergstraße durchzusetzen. Das sagte er am Donnerstagabend bei seiner Vernehmung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema. Weil er die häufigen Ausbrüche aus dem Heim „nicht weiter aushalten“ konnte, habe er Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Sommer 2003 schließlich gedroht, Schnieber-Jastram öffentlich als „Versagerin“ hinzustellen. „In der Folge kam es dann zu meinem Sturz“, behauptete Schill. Entlassen wurde Schill schließlich im August 2003 wegen einer Affäre um seinen Staatsrat.

Er sei den Aufklärern im Ausschuss „schon zwei, drei Jahre voraus“ gewesen, sagte Schill zu SPD-Obmann Thomas Böwer. Aber er meint andere „Missstände“, als sie die Opposition im Ausschuss aufklären will: Das Schlimmste sei, dass nicht die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden seien, um die von ihm ausgemachten 100 bis 150 straffälligen Kinder zwischen zehn und 14 Jahren einzusperren, sagte Schill aus. Er hätte mit der Einweisung in das Heim weder Jugend-, noch Familienrichter, sondern seine ehemaligen Kollegen, die Strafrichter, beauftragt. Auf die Frage der GAL, ob dies juristisch möglich sei, sagte der Jurist, das habe er „nicht geprüft“.

Tatsächlich wäre es ein illegales Heim, was dem Rechtspopulisten vorschwebte. Das Einsperren von Kindern ist nur im Rahmen der Jugendhilfe erlaubt, wenn es dem Kindeswohl dient. Bundesweit gab es damals nur 140 solcher Heimplätze. Deshalb war nur eine sehr kleine Jugendhilfeeinrichtung realisierbar, auch wenn im CDU-FDP-Schill-Koalitionsvertrag großspurig 90 Plätze vereinbart worden waren.

Sozialsenatorin Schnieber-Jastram will Schill regelrecht getrieben haben. Er las im Ausschuss aus seinem Terminkalender vor. Vom 28. Mai bis zum 5. November habe er sie im Zwei-Wochen-Abstand nach dem Heim gefragt und auch von Beust unter Druck gesetzt. Am 18. Dezember wurde das Heim in dem viel zu kleinen Atriumbau in der Feuerbergstraße eröffnet.

Als im März 2003 eine Ausbruchsserie begann, machte Schill wieder Druck. Schill: „Ich habe gesagt: Du Ole, ich kann das mit der Sozialsenatorin nicht länger ansehen.“ Schill drohte mit öffentlicher Demontage. Kurz darauf wurden Sicherheitsdienst und Psychopharmaka in der Feuerbergstraße eingeführt. Schill wusste nichts von diesen Maßnahmen, findet sie aber rückblickend in Ordnung. „Man kann diese Jugendlichen nicht therapieren und in die Gesellschaft integrieren“, sagte er „Man kann sie nur isolieren.“

Die CDU sprach hinterher von einem „peinlichen Auftritt“. Die SPD habe „Richter Gnadenlos“ eine Bühne für seine „zynischen und menschenverachtenden Ansichten geboten“. Böwer konterte: „Diese Einsichten der CDU kommen spät.“ Schill sei schon bei Amtsantritt regierungsunwürdig gewesen. Aber Ole von Beust habe Schill und ein Heim, das ein einziges System von Rechtsbrüchen war, „um der Macht Willen“ in Kauf genommen. Die SPD will nun noch eine letzte Zeugin laden: Schnieber-Jastram soll zu Schills Aussagen Stellung nehmen. KAIJA KUTTER