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Archiv-Artikel

Erfahrung auf einen Blick

Im Projekt „Bundesmigrantinnen“ entwickeln Künstlerinnen Piktogramme auf der Grundlage von Zeichnungen, die Hamburger Einwanderer gemacht haben. Auf diese Weise wird eindrucksvoll sichtbar, was die Migrantinnen im Alltag fühlen und erleben

Von KLI

Es braucht nicht mehr als einen Raum, ein paar Blöcke und ein paar Stifte. Das Ziel ist, sichtbar zu machen, was Hamburger Migrantinnen denken und der Weg ist schlicht, dass die Frauen zeichnen, was sie im Alltag beschäftigt, was ihnen passiert ist, auf der Straße, im Bus, auf dem Amt, angeleitet vom spontanen Gefühl. Am Ende gibt es dann eine Skizze, in der viel Erlebtes steckt. Erlebtes, das mitunter verallgemeinerbar ist – und so weiterverarbeitet werden kann zu einem international verständlichen Piktogramm.

Die Weiterverarbeitung sowie die Organisation des Projekts übernehmen die Künstlerinnen Marula Di Como und Florencia Young, die zusammen mit der Soziologin Estela Schindel und der Journalistin Alejandra López das Kollektiv Migrantas gegründet haben. Alle vier Frauen sind selbst Migrantinnen aus Argentinien und leben in Berlin, wo sie das Projekt bereits durchgeführt und die Ergebnisse gezeigt haben. Unter dem Namen „Bundesmigrantinnen“ führte das Kollektiv das Projekt nun in Hamburg durch, mit Unterstützung von Vereinen und Initiativen wie Amnesty for Women oder der Interkulturellen Begegnungsstätte IKB. Ab Dienstag sind drei der entstandenen Piktogramme an 200 Hamburger Litfaßsäulen sowie in 70 Hamburger U-Bahnhöfen plakatiert. Kommenden Freitag wird in den Räumen der Frauen Finanz Gruppe eine Ausstellung eröffnet, bei der 180 Zeichnungen und rund 40 Piktogramme gezeigt werden.

Immer wieder sei es das Thema Heimat, das die Frauen auf die eine oder andere Weise zeichneten, sagt Migrantas-Grafikerin Florencia Young. Da ist beispielsweise die Muslima mit Kopftuch, die sich lächelnd bei den Türmen des Hamburger Landeswappens untergehakt hat; oder die Frau inmitten der anderen Strichmännchen, die bang fragt: „Wir?“; oder auch eine Juristin, die in Hamburg trotz Universitätsabschluss Putzen gehen muss.

„Das Piktogramm“, sagt Young, „ist klar, synthetisch und für jeden zu verstehen.“ Es ist die Schrift der Flughäfen und Verkehrsleitsysteme, eine globalisierte Schrift, mit der schnell viel gesagt ist. Dem kühlen Formalismus des Piktogramms liegt bei dem Projekt das persönliche Erleben der Migrantinnen zu Grunde – was das Projekt über seinen politischen Anspruch hinaus künstlerisch interessant macht. Fortsetzungen mit anderen Städten sind nun angedacht. KLI

„Bundesmigrantinnen“: vom 9. 11. 07 bis 17. 1. 08 in der Hamburger FrauenFinanzGruppe