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Archiv-Artikel

Energiegeladener Seitenwechsler

Fritz Vahrenholt wechselt vom Windradbauer Repower zu RWE. Wird RWE nun ökologisch – oder hat der Atom- und Kohlebefürworter Vahrenholt endlich den richtigen Arbeitgeber? FOTO: H. SACHS/VERSION

Er passt in keine Schublade. Fritz Vahrenholt war Fachgebietsleiter Chemische Industrie beim Umweltbundesamt, er arbeitete im Hessischen Umweltministerium und schrieb 1978 den Bestseller „Seveso ist überall – die tödlichen Risiken der Chemie“. Als „Schrecken der chemischen Industrie“ sah er sich lange, und trat gleichwohl 1998 in den Vorstand der Deutschen Shell AG ein, zuständig fürs Chemiegeschäft.

Und das war nicht der einzige Wandel im Leben des studierten Chemikers. Der SPD-Mann war Umweltsenator in Hamburg und setzte zugleich gegen heftige Proteste der Umweltbewegung die Müllverbrennung durch. Er wurde Vorstandsvorsitzender des Windradbauers Repower – und nutzte seither jede Möglichkeit, für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken zu werben.

So ließ sich der heute 56-jährige gebürtige Gelsenkirchener von niemandem vereinnahmen. Vor allem die Umweltbewegung wusste nie so recht, ob sie ihn nun lieben oder doch eher hassen sollte. Vahrenholt baute bei der Firma Shell die Sparte der erneuerbaren Energien auf, als das Thema noch nicht wie heute Allgemeingut war. Das brachte ihm in der Umweltszene zwar Sympathien ein, doch den wirklichen Durchbruch im Ökoenergiemarkt prägten bald andere, meist kleinere Firmen.

Wo immer Vahrenholt auftaucht, provoziert er bis heute Widerspruch. Seine oft irritierenden Positionen rühren vielleicht schlicht daher, dass er so vielseitig ist: Vahrenholt ist von Haus aus Naturwissenschaftler, in der Praxis aber Unternehmer. Und er steht zudem der Politik nahe, wo er – redegewandt und talkshowerfahren – mitunter als Kandidat gehandelt wird.

Jetzt will der Essener Energieriese RWE den promovierten Wissenschaftler zum Leiter der neu geschaffenen Sparte für erneuerbare Energien machen. Zum Jahresende soll der Wechsel vollzogen werden, heißt es in der Branche. Und wieder weiß man nicht so recht, was davon zu halten ist: Will sich RWE grün waschen, was mit dem Namen Vahrenholt immer gelingen kann? Oder wird Vahrenholt den Stromkonzern tatsächlich – was durchaus in Maßen denkbar ist – auf eine grünere Spur bringen?

Vahrenholt jedenfalls dürfte sich auch beim Kohlestromer RWE wohlfühlen. Schließlich hat er sich schon vor Jahren für die Förderung einer „kohlendioxidfreien Braunkohletechnik“ ausgesprochen. Er ist eben einer, der alles auf einmal will: die Atomkraft und auch die Kernfusion, die erneuerbaren Energien und die Kohle. Wissenschaft und Ingenieurskunst, sagte er einmal, seien das Einzige, was man den Weltproblemen entgegenstellen könnte.

BERNWARD JANZING