ZWISCHEN DEN RILLEN
: Patzigkeit in Ewigkeit

Das Weiße Pferd: „Münchner Freiheit“ (Echokammer/ Sub Up/Indigo)

Wie überhaupt der Tonfall des Vortrags oft einen forcierten Unernst hat, eine Überdrehtheit

Es ist ja nicht die dümmste Idee, gleich mit einem wirklichen Hit in ein Album einzusteigen. Und damit geht schon der erste Punkt an Das Weiße Pferd. Die haben das nämlich gemacht mit ihrem „Straßenkämpfer“, der im Wesentlichen nichts anderes ist als der „Street Fighting Man“ von den Rolling Stones. So ein maßgebender Rock-’n’-Roll-Klassiker, der hier mit Lust und ganz gemütvoll auf die hiesigen und gegenwärtigen Verhältnisse zurechtgeschunkelt wurde, so dass der resignative Kehrreim dieser Aufmüpfigkeitshymne nun eben heißt: „Was kann ein armer Kerl schon tun, außer von der Münchner Freiheit zu singen“.

Womit man auch schon direkt am Ort des Geschehens ist. Die Münchner Freiheit ist ein zentraler Platz in Schwabing und liegt damit im Herzen der Stadt. „Münchner Freiheit“ ist auch Titel des nunmehr dritten Albums von Das Weiße Pferd, laut dem Popkritiker Karl Bruckmaier „momentan eine der interessantesten Bands aus München“, die mit ihrem neuen Album allemal eine über „Schwabing-Nord und das Glockenbach-Viertel“ hinausreichende Aufgeregtheit verdient.

Das aber hat Karl Bruckmaier nun bestimmt nicht allein aus einem Lokalpatriotismus heraus geäußert, weil man die flockig herausgehauenen Songs der Band durchaus ohne eine genauere Kenntnis von besonderen bayerischen Seelenlagen auch anderswo gut hören kann.

Und manchmal halt etwas weniger gut, weil es die Band zwischendurch ein bisserl anstrengend und quengelnd will und der Musik noch so ein Nervfaktor dazugeschaltet ist. Dann klingen Das Weiße Pferd in ihren Liedern wie eine aufgekratzte Jungschar-Version von Die Goldenen Zitronen.

Weil man ja eine Botschaft hat. Man macht schließlich Protest. Da geht es in Songs wie „Spielverderber“ oder „Teutsche Machos“ dann um Diskriminierungsfragen und patriarchale Verkrustungen oder gleich um den ganz normalen Wahnsinn. Auch und gerade in der Popmusik, deren schöne Besinnungslosigkeiten herausgekehrt werden, wenn einem ein „I love you / I love You / I Love you“ in der Endlosschleife entgegensingt und dazu „Außer I love you sag ich dir nichts mehr“.

Zwischendurch hört man noch ein „Lauter!“, und das alles ist in dem „I Love You Song“ zu einem hübschen und genügend schwachsinnigen Popsong zusammengezurrt.

So was kann man nun je nach Gemütslage als gespielten Witz hören oder auch gleich als Felgaufschwung zum Metadiskurs.

Jedenfalls darf man sich bei „Münchner Freiheit“ über reichlich eingestreute Anspielungen in Musik und Text freuen. Praktizierte Popgeschichte, zu der die Musiker von Das Weiße Pferd ja bereits selbst ein paar Fußnoten beigesteuert haben.

Vorneweg bei der Band sind das Albert Pöschl, der Labelmacher und Musiker, den man vielleicht vom Trashpop-Kombinat Dis*ka kennt, und Federico Sanchez alias Piko Be, dessen ehemalige Band Kamerakino unbedingt auch für die Fans von Franz Ferdinand von Interesse sein muss, weil dort deren Gitarrist Nick McCarthy in seinen Jugendtagen aktiv war.

Überall auf diesem Album hört man also souverän für die eigenen Absichten zurechtgebogene Zitate und stolpert über kleine Parodien. Die Ironie zwinkert. Wie überhaupt der Tonfall des Vortrags oft einen forcierten Unernst hat, eine Überdrehtheit. Die bohemehafte Patzigkeit des Unangepassten, mit der man wenigstens ein Album lang so tun will, als stecke der Rock tatsächlich noch richtig halbstark in den Flegeljahren oder sei zumindest der einst versprochene große Abenteuerspielplatz mit seinem Geruch von Freiheit. Dafür haben Das Weiße Pferd dann doch die passenden Fahrtenlieder. Allweil lässig, mit Lust aneckend. Trotzig juvenil.

Da passt es, dass auch der Regisseur Klaus Lemke, der gern als der ewige Bad Guy des deutschen Films geführt wird, als großer Fan der Band firmiert.

THOMAS MAUCH

■ Live: 7. März, BR-Funkhaus, München