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Archiv-Artikel

Stadtentwicklung am Beispiel

Mit einer internationalen Bauausstellung (IBA) will Hamburg zeigen, wie eine Großstadt die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen könnte. Inzwischen sind die Themen umrissen und die Konflikte bekannt. Gute Ideen werden noch gesucht

VON GERNOT KNÖDLER

Der Hamburger Senat will seine Stadt nach innen wachsen lassen. Um den Prozess voranzutreiben, dachte er sich eine Internationale Bauausstellung (IBA) auf der Elbinsel zwischen der City und Harburg aus. Sie soll 2013 zeigen, wie eine Großstadt die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern kann: die Globalisierung, die inneren Stadtränder und den Klimawandel. Dabei werde die IBA „weit über gebaute Architekturen hinausgehen“, sagen ihre Macher.

Als Demonstrationsobjekt soll die 35 Quadratkilometer große Insel Wilhelmsburg dienen. Umströmt von Elbarmen, dreiseitig umgeben von Hafenanlagen, durchschnitten von Verkehrswegen, überflutet, vernachlässigt und wieder aufgepäppelt, bietet der Stadtteil Probleme und Chancen in Hülle und Fülle. Hier stehen Gründerzeitviertel neben lockeren 50er-Jahre-Siedlungen, Kleingärten neben Containern und Hochhäuser neben Einfamilienhäuschen. Der Einwanderer-Anteil liegt bei mehr als 34 Prozent. 14 Prozent der Menschen beziehen Sozialhilfe.

Schon seit Jahren wird hier mit Erfolg Stadtentwicklung betrieben. Der Senat und die städtischen Wohnungsunternehmen haben Millionen von Euro in den Stadtteil gepumpt. Doch erst mit der Hafencity, den daran anknüpfenden Olympia-Plänen und dem Leitbild „Wachsende Stadt“, das der CDU-Senat ausgab, rückte Wilhelmsburg vollends ins Blickfeld: Die Elbinsel liegt zentral, sie ist nur zum Teil bebaut und schafft bereits heute eine Verbindung zu Harburg, wenn auch eine schwache. Den „Sprung über die Elbe“ zu wagen, bot sich an.

Der Sprung in Gestalt eines stilisierten, blau gestreiften Männleins ist nahe liegender Weise das Symbol der IBA. Die Bauausstellung ist ein Prozess. Fragestellungen zu erarbeiten und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren, gehört ebenso dazu, wie eine sich allmählich verfestigende Planung und schließlich die Präsentation der Ergebnisse 2013. 2010 sollen die Baustellen erkundet und Zwischenbilanz gezogen werden. Das zu Ende gehende Jahr diente dazu, die Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Stadtteil mit der IBA vertraut zu machen.

In einem ehemaligen Supermarkt am S-Bahnhof Wilhelmsburg zeigt die IBA, was frühere Bauausstellungen wollten, und sie präsentiert ihre eigenen wichtigsten Projekte mit Modellen und Bildern. Ein Kultursommer mit Veranstaltungen vom Konzert bis zum Inline-Skating-Volkslauf und Kunst im öffentlichen Raum lockte die Hamburger aus den nördlichen Stadtteilen über die Elbe. Sie sahen Kunstwerke an unerwarteten Orten: eine Musik- und Lichtinstallation auf einem Ponton, ein kleines buntes Campingzelt auf einem ehemaligen Brückenpfeiler, wie von Zauberhand auf diesen unzugänglichen Ort gesetzt.

„Bildung und Kultur sind die Schlüssel, um aus der Parallelgesellschaft zu kommen“, sagt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg. Die IBA habe mit kulturellen Veranstaltungen begonnen, um die Menschen zusammenzubringen. Das ist nicht einfach in einem Straßenzug mit 820 Wohnungen, in denen 31 verschiedene Sprachen gesprochen werden, und aus dem die IBA ein beispielhaftes „Weltquartier“ machen möchte.

Um die Sprachbarriere zu überwinden, startete die IBA eine Mitmach-Aktion: 200 Haushalte sollten mit Hilfe eines Fotos zeigen, was für sie Heimat bedeutet. Das Ergebnis hängt jetzt als 25 Quadratmeter-Puzzle an einer Hauswand. Das war der Einstieg in eine interkulturelle Planungswerkstatt, bei der die Anwohner mit spielerischen Mitteln zeigen sollten, wie sie sich Verbesserungen in ihrem Quartier vorstellen.

Weil Schulbildung in einem Stadtteil besonders wichtig ist, wo jeder zweite Schüler ausländische Eltern hat, plant die IBA eine Bildungsoffensive. Diese soll sich baulich in einer „Tor-zur-Welt-Schule“ manifestieren, in der Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zum Gymnasium zusammengefasst und mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie der Jugendhilfe verschränkt werden sollen. Eltern würden über ihre Kinder an Bildungsangebote herangeführt. Als „Stadtteilschule“ ist ein ähnliche Konzept in weniger aufwändiger Form bereits in anderen Stadtteilen geplant.

Die Inneren Stadtränder sind die Kanten des Wohnviertels zum Hafen und zur Industrie aber auch zu den offenen Wiesen der Marsch. Es zeichnet sich nicht ab, dass einer den Stein der Weisen gegen den Lärm der Schnellstraße und Bahnstrecke findet, die mitten durch den Stadtteil laufen. Der Übergang zur Marsch ist umstritten. Umweltschützer sind strikt gegen den Versuch, eine ökologische Siedlung in die Feuchtwiesen mit ihren seltenen Arten einzufügen.

Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit sollen die Verkleidung eines alten Hochbunkers mit Solaranlagen und die Nutzung einer ehemaligen Mülldeponie zur Energiegewinnung demonstrieren. Eine Solarbauausstellung gibt es bereits.

Die Einwohner verfolgen das Projekt mit wohlwollender Skepsis. Für heute Abend sind die Vertreter der Bürgerschaftsparteien zu einer Einwohnerversammlung eingeladen. Es soll um die Konflikte mit Verkehr und Hafen gehen, aber auch um die Folgen einer Aufwertung: „Wird das Leben auf der Insel besser oder einfach nur teurer?“, fragt der Verein Zukunft Elbinsel.