Gaddafi-Sohn auf der Flucht festgenommen

LIBYEN Truppen des Übergangsrats setzen Saif al-Islam auf dem Weg nach Niger fest. Nun stellt sich die Frage, wo er vor Gericht kommt. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl des Strafgerichtshofs in Den Haag vor

TRIPOLIS/KAIRO dapd/dpa/afp | Der meistgesuchte Sohn des einstigen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ist in Haft: Saif al-Islam wurde nach Monaten auf der Flucht im Süden des Landes festgenommen. Vier Wochen nach der Tötung seines Vaters setzten ihn am Samstag Truppen des Übergangsrats in der Wüste fest, als er mit zwei Vertrauten Richtung Niger fliehen wollte. Saif al-Islam war vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverbrechen auf die Fahndungsliste gesetzt worden.

Auch Ex-Geheimdienstchef Abdallah al-Senussi ist nach Angaben des Übergangsrats gefasst worden. Senussi sei in der Region al-Gira im Süden Libyens gestellt worden, sagte ein ranghoher Vertreter des Rats am Sonntag. Senussi wird ebenfalls vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht.

Der amtierende Justizminister Mohammed al-Alagi bestätigte die Festnahme des Gaddafi-Sohns, erklärte jedoch, das Ziel des Konvois sei nicht klar gewesen. Derzeit werde Saif al-Islam in der Ortschaft Sintan festgehalten und demnächst nach Tripolis überstellt. Das libysche Fernsehen veröffentlichte ein Foto, das den 39-Jährigen in Haft zeigte.

Adel al-Sintani von den Sintan-Brigaden, die den Konvoi entdeckt hatten, erklärte, Saif al-Islam sei um vier Uhr morgens nach einem Feuergefecht westlich der Stadt Obari festgesetzt worden. „Er trug Tuareg-Kleidung“, sagte er. Bei einem Luftangriff der Nato habe Saif al-Islam Verletzungen am Daumen und zwei Fingern davongetragen. Ansonsten sei er bei guter Gesundheit.

In Tripolis und anderen libyschen Städten löste die Festnahme Jubel aus. Vielerorts feuerten die Menschen Freudenschüsse ab. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno Ocampo, nannte die Festnahme Saif al-Islams eine gute Nachricht. „Nun muss er sich vor Gericht verantworten“, sagte Ocampo in Den Haag. Er werde kommende Woche nach Libyen reisen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Am Sonntagnachmittag erklärte der Übergangsrat, Saif al-Islam werde nicht ausgeliefert, wie der Sender al-Dschasira berichtete. Er müsse sich in Libyen vor Gericht verantworten. Das sei eine Forderung des Volkes. Der Chef des lokalen Militärrates von Sintan, Mohammed al-Chabasch, hatte zuvor gesagt, Saif al-Islam solle so lange in Gewahrsam in Sintan bleiben, bis das Gerichtswesen in Libyen aufgebaut sei. Auch er forderte, dem Gefangenen müsse der Prozess im Land gemacht werden.

Saif al-Islam wurde 1972 geboren und ist das älteste Kind von Muammar und Safija al-Gaddafi. Während er zu Beginn seiner politischen Karriere als Reformer galt, unterstützte er während des Aufstands das brutale Vorgehen seines Vaters gegen die Aufständischen. Nach dem Sieg der Rebellen war Saif al-Islam untergetaucht. Zuletzt war berichtet worden, dass er mit Tuareg-Nomaden an der Grenze zu Mali unterwegs sei.

Mit der Festnahme von Saif al-Islam ist nunmehr das Schicksal aller Angehöriger der Familie des ehemaligen Herrschers bekannt. Drei der Söhne Muammar al-Gaddafis – Mutassim, Saif al-Arab und Chamis – wurden im Zuge von Kämpfen oder Nato-Luftangriffen getötet. Fünf seiner Angehörigen haben sich ins Ausland abgesetzt: Sein Sohn Saadi Gaddafi floh in den Niger, die zweite Frau Muammar al-Gaddafis, Safia Farkasch, die Söhne Mohammed Muammar und Hannibal sowie die Tochter Aischa halten sich in Algerien auf.