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Assad nimmt Gaddafi zum Vorbild

SYRIEN Der Präsident verspricht einen Kampf bis zum Tod gegen ausländische Einmischung. Das erinnert an die Durchhalteparolen anderer Staatschefs

BEIRUT rtr/dapd/taz | Zum ersten Mal seit Beginn der Protestbewegung in Syrien haben Aufständische die Regierung von Präsident Baschar al-Assad offenbar direkt in der Hauptstadt Damaskus angegriffen. In einem Gebäude von Assads Baath-Partei schlugen am Sonntag zwei Panzerfäuste ein, wie Bewohner berichteten. Aus dem Gebäude sei Rauch aufgestiegen. Davor seien Fahrzeuge der Feuerwehr zu sehen gewesen. Assad zeigte sich indes unnachgiebig und kündigte an, weiter mit Gewalt gegen die Oppositionellen vorzugehen. „Der Konflikt wird anhalten und der Versuch, Syrien zu unterwerfen, wird anhalten“, sagte der syrische Präsident in einem Interview mit der britischen Zeitung Sunday Times.

Er versichere, dass Syrien dem internationalen Druck standhalten und sich nicht fügen werde. Zugleich warnte der Präsident ausländische Staaten vor einer militärischen Intervention in Syrien, da dies ein „Erdbeben“ im Nahen Osten auslösen würde. Erneut machte er „bewaffnete Terroristen“ für die Unruhen in seinem Land verantwortlich. Nach Angaben der Zeitung kündigte Assad an, selbst gegen ausländische Truppen ins Feld zu ziehen und bis in den Tod zu kämpfen.

Unterdessen ist ein Ultimatum der Arabischen Liga abgelaufen. Die Regierung sollte sich bis zum späten Samstagabend entscheiden, ob sie Beobachter der Arabischen Liga ins Land lässt. Ansonsten will die Organisation Sanktionen beschließen. Die Liga wies einen syrischen Antrag zurück, ihren Plan zur Entsendung von 500 arabischen Beobachtern zum Schutz der Zivilbevölkerung in Syrien zu überarbeiten. Eine Änderung des Plans „würde das Wesen der Mission radikal verändern“, teilte der Staatenbund mit.

Zuvor hatte die Liga Syrien bereits von ihren Treffen ausgeschlossen.

Oppositionsanhänger berichteten gestern von erneuten Angriffen auf die Protesthochburg Homs. Die Sicherheitskräfte hätten 16 Zivilisten getötet, die Zahl der Verletzten wurde von Aktivisten mit rund 140 angegeben. Zudem seien vier Angehörige des syrischen Geheimdienstes in der Provinz Hama getötet worden. Nach Angaben der staatlichen Agentur Sana wurden in der Provinz Idlib 140 Menschen bei Razzien „gegen Terroristen-Gruppen“ festgenommen.

Seit Beginn der Proteste im März kamen in Syrien Schätzungen zufolge mehr als 3.500 Menschen ums Leben. Assad widersprach diesen Zahlen im Interview und sprach von 619 Toten unter der Zivilbevölkerung und rund 800 Toten unter den Truppen des Regimes.

Der türkische Präsident Abdullah Gül warnte Assad in einem Interview mit der britischen Zeitung Sunday Telegraph, er sei überzeugt, „dass es an den Ufern des Mittelmeers keinen Platz mehr für autoritäre Regime gibt“. Die Türkei habe Assad zu einem beschleunigten Umsetzen der Reformen geraten. Sollte Assad nicht selbst den Wandel vorantreiben, könnte sich die Situation sehr schlecht für Syrien entwickeln, sagte Gül. Die Türkei unterstützt die syrische Opposition offen mit der Erlaubnis, Versammlungen auf türkischem Staatsgebiet abhalten zu dürfen.

Der oppositionelle syrische Nationalrat veröffentlichte auf seiner Website sein politisches Programm. Demnach plant das Gremium die Bildung einer Übergangsregierung, die gehalten ist, freie Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung zu organisieren. Die neue Verfassung soll anschließend einem Volksentscheid unterworfen werden, woraufhin schließlich Parlamentswahlen folgen sollen. Der Nationalrat wurde wurde bislang durch hohe offizielle Kontakte in Berlin, Moskau und in London aufgewertet. GB

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