ai: Bundeswehr liefert Gefangene Folter aus

Menschenrechtsorganisation: In Afghanistan macht sich die Nato zum Folterkomplizen des lokalen Geheimdienstes

BERLIN taz ■ Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) fordert die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) auf, vorerst keine Gefangenen mehr an afghanische Behörden zu überstellen. Nur so könne sichergestellt werden, dass Festgenommene nicht gefoltert würden, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten ai-Bericht. Er zitiert Medienberichte, in denen Gefangene dem afghanischen Geheimdienst NDS Folter und Misshandlungen vorwerfen. Die Isaf-Truppe habe eine völkerrechtliche Verantwortung für diese Personen, so ai. Vereinbarungen mit der Regierung in Kabul, dass Überstellte nicht gefoltert werden dürften, seien „das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.“

Die Nato-geführte Isaf-Truppe, an der 3.000 Bundeswehrsoldaten beteiligt sind, betreibt keine eigenen Gefängnisse. Seit 2005 überstellt Isaf Verdächtige den afghanischen Behörden. Zuvor wurden sie den US-geführten Truppen unter dem Mandat „Operation Enduring Freedom“ (OEF) überstellt. Auch hier gab es Vorwürfe von Misshandlungen, zum Beispiel auf dem US-Stützpunkt Bagram. Über das Mandat der deutschen Beteiligung an OEF stimmt der Bundestag an diesem Donnerstag ab.

Die von ai zitierten Fälle betreffen Gefangene, die von kanadischen, britischen und niederländischen Truppen überstellt worden waren. Auch die Bundeswehr habe Festgenommene übergeben. „Die Bundesregierung hält sich mit Informationen zu den übergebenen Gefangenen leider sehr zurück,“ sagte Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion. Selbst dem Bundestag würden Angaben zu Anzahl und Verbleib verweigert. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte der taz: „Uns ist von Folter an überstellten Festgenommenen nichts bekannt.“ Wie viel Gefangene deutsche Soldaten bisher übergeben hätten, wollte er nicht sagen. Medienberichte über 40 Personen dementierte er jedoch nicht. Immer werde bei einer Überstellung das Internationale Komitee vom Roten Kreuz informiert. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte kürzlich Fälle von Folter eingeräumt. Sein Sprecher sagte gestern, der ai-Bericht werde „sehr ernst“ genommen. SVEN HANSEN