: SPD protestiert gegen Soli-Pläne
STEUERN Den Soli abschaffen? Die SPD interpretiert Merkels Vorstoß als Vertrauensbruch. Das liegt an der sehr komplizierten Vorgeschichte
SPD-GENERALSEKRETÄRIN FAHIMI ÜBER DIE SOLI-PLÄNE DER UNION
AUS BERLIN ULRICH SCHULTE
Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz schienen den goldenen Kompromiss gefunden zu haben. Im Herbst 2014 einigten sich der CDU-Finanzminister und Hamburgs Erster Bürgermeister auf eine Steuerreform ab 2020: Der Solidaritätzuschlag für die Finanzierung der Deutschen Einheit fällt weg, als Ausgleich wird die Einkommensteuer angehoben. Gleichzeitig schafft der Staat die kalte Progression ab, entlastet also Arbeitnehmer bei der Einkommensteuer.
Das Duo arbeitete damals eher notgedrungen zusammen, um ein politisches Mammutprojekt zu beschleunigen. Derzeit verhandeln Bund und Länder ihre Finanzbeziehungen neu. Ergebnisse gibt es bisher nicht, weil die Interessen zu unterschiedlich sind. Der Schäuble-Scholz-Vorschlag weckte Hoffnung, weil er allen etwas bot.
Die Soli-Abschaffung berücksichtigte, dass die Förderung Ostdeutschlands 2019 endet. Danach wäre der Zuschlag verfassungsrechtlich eh kaum zu halten. Der Vorschlag garantierte dem Bund stetige Einnahmen nach dem Soli-Ende, weil die Einkommensteuertarife angepasst worden wären. Der Vorteil für die Länder: Sie würden – anders als beim Soli – selbst Einnahmen in der Kasse haben, denn die Einkommensteuer wird nach einem anderen Schlüssel verteilt.
Selbst die Bürger hätten gewonnen, denn die kalte Progression ist ein kleines Ärgernis. Weil die Steuertarife nicht regelmäßig an die Inflation angepasst werden, kann ein Angestellter, der eine Gehaltserhöhung bekommt, in einen höheren Steuertarif rutschen, de facto also weniger netto verdienen.
Das steuerpolitische Kunstwerk von Schäuble und Scholz ist seit Mittwoch perdu. Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und Schäuble hätten sich darauf geeinigt, den Solidaritätszuschlag ab 2020 schrittweise zu senken, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Ausgleich für Bund und Länder, Wegfall der kalten Progression, von alldem war plötzlich keine Rede mehr.
In der Berliner Bundespressekonferenz gab es gestern keine klare Bestätigung des Berichts, aber auch kein Dementi. Dies sei eine Überlegung, der die Kanzlerin „durchaus positiv“ gegenüberstehe, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Allerdings sei „vieles noch Zukunftsmusik“. Schäubles Sprecher betonte, es würden verschiedene Optionen ausgelotet.
Erfrischend deutlich hingegen war die Wortmeldung des CSU-Vorsitzenden. „Die Grundentscheidung ist bei uns klar, bei der Kanzlerin und bei mir als Parteivorsitzendem von CDU und CSU“, sagte Horst Seehofer. „Und alles Weitere ist jetzt Politikvollzug.“ Nur Vollzug? Diese Einschätzung ist optimistisch.
Die SPD, die sich mit dem Schäuble-Scholz-Papier sicher glaubte, interpretierte den Schwenk als Vertrauensbruch. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte gestern eine „180-Grad-Wende der Unionsführung“. Sie erwarte von Schäuble ein solidarisches Gesamtkonzept, wie die verabredeten Ziele ohne Soli-Einnahmen zu erreichen seien, sagte Fahimi der taz. „Unsere Position ist klar: Wir wollen keine neue Schulden, wir brauchen aber solide Finanzen für die überschuldeten Länder und Kommunen – im Osten wie im Westen.“ Die SPD kämpfe „um jeden Zentimeter Handlungsfähigkeit für Länder, Städte und Gemeinden“.
Das letzte Wort ist zum Soli also nicht gesprochen. Selbst wenn sich die Union gegen die SPD durchsetzt, hätte die Koalition keine Mehrheit im Bundesrat. Sie könnte den Soli zwar ohne Beschluss der Länderkammer abschaffen. Das ist aber unwahrscheinlich, weil ein Alleingang die Verhandlungen über die Bund-Länder-Beziehungen vollends blockieren würde.