piwik no script img

Archiv-Artikel

„Ich weiß noch nicht, ob ich zustimmen kann“

ZWEIFEL Der Sprecher der ArbeitnehmerInnen in der SPD, Klaus Barthel, befürchtet, dass das von seiner Parteifreundin Nahles geplante Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht einschränken könnte. Diese Gefahr müsse die Ministerin „glaubhaft entkräften“

Klaus Barthel

■ Bundestagsagbeordneter (SPD), ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Seit 1977 ist er Gewerkschafter, derzeit bei Verdi.

taz: Herr Barthel, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sagt: „Es wird keine Einschränkung des Streikrechts durch das Tarifeinheitsgesetz geben.“ Sehen Sie das auch so?

Klaus Barthel: Die Gefahr ist nicht auszuschließen. Wir werden in den nächsten Wochen in den Anhörungen noch einmal sehr genau darauf achten müssen. Denn eins ist eindeutig klar: Streikrecht und Tarifrecht sind bisher überwiegend Richterrecht, wo sich der Staat mit Gesetzen herausgehalten hat. Aber es ist abzusehen, dass der neue Paragraf 4a des Tarifgesetzes die Frage, ob ein Streik angemessen ist, eher zulasten des Streiks verschieben wird.

Warum ist dann Ihre Partei für ein Tarifeinheitsgesetz?

Das kommt aus dem Ansatz der SPD heraus, den ich ja durchaus teile, dass pro Betrieb, pro Branche ein Tarifvertrag gelten soll. Das hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2010 aufgeweicht. Schaut man sich das einmal genauer an, stellt sich heraus, dass das sehr schwierig ist, das gesetzlich zu regeln.

Ist sonst Ihrer Meinung nach alles okay an dem Vorhaben, oder gibt es da doch noch Kritik Ihrerseits?

Wir müssen die Gefahr, dass am Ende doch das Streikrecht oder die Koalitionsfreiheit – also die Frage danach, welcher Gewerkschaft ich mich anschließe – betroffen sind, genau überprüfen. Und Sie sehen ja schon an den Bestrebungen zum Beispiel der CSU, oder was man von Teilen der CDU hört, dass die schon teilweise mit den Gedanken spielen, das Streikrecht materiell-rechtlich einzuschränken. Die CSU fordert beispielsweise, bei der Daseinsvorsorge so etwas wie eine viertägige Ankündigungsfrist einzuführen, einen Schlichtungszwang und eine Mindestversorgung. Auch von Arbeitgeberseite gibt es ähnliche Forderungen.

Was halten Sie von der Forderung von Verdi, das Ganze eher im Dialog als über Gesetze zu lösen?

Von meiner Zielsetzung her, von unserer Einstellung her von der SPD sind wir für den Flächentarifvertrag, sind wir für das Ziel der Tarifeinheit. Aber ich weiß zurzeit nicht, welchen gesetzlichen Weg es geben kann, ohne das Streikrecht in der Substanz zu gefährden. Das ist uns allen ein ganz hohes Gut. Und deswegen müssen wir wirklich schauen, ob wir nicht lieber den politischen Weg gehen, den mühsamen Weg der Überzeugungsarbeit.

Wie werden Sie sich dann bei der Abstimmung im Bundestag verhalten?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen, weil ich das ernst nehme, dass wir uns jetzt sehr genau anhören, wie der Austausch der Meinungen verläuft. Wir haben ja Gutachten pro und kontra. Die Frage ist: Was passiert in einer Abwägung? Kommen wir wirklich der Tarifeinheit näher und können die Befürworter ausdrücklich und glaubhaft entkräften, dass das Streikrecht gefährdet wird? Ein wichtiger Maßstab ist für mich auch, ob die Arbeitgeber stärker in die Tarifeinheit eingebunden werden können, anstatt immer neue Fluchtwege aus Flächentarifverträgen zu suchen, wie wir das gerade bei DHL und im Einzelhandel erleben.

INTERVIEW: ALINA LEIMBACH