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Archiv-Artikel

Gabriel teilt in Brüssel aus

STROM Die geplante neue Energieunion sorgt in der EU-Hauptstadt gleich beim ersten Treffen für Streit. Berlin stellt sich gegen London, Paris und gegen Warschau. Denn die wollen die Atomkraft fördern

BRÜSSEL taz | Fehlstart für die Energieunion: Nur eine Woche, nachdem die EU-Kommission ihr neues Projekt für eine europäische Energiewende enthüllt hat, sorgte es im Ministerrat in Brüssel für heftigen Streit. Ausgerechnet die Grundidee, sich durch den gemeinsamen Einkauf von Erdgas unabhängiger von Russland zu machen, ist umstritten. Auch die Atomkraft und der Emissionshandel sorgen für Zoff unter den 28 EU-Staaten.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) teilte in gewohnt deftiger Manier aus. Die Energieunion und der (immer noch nicht vollendete) Energie-Binnenmarkt seien ein „wichtiges Projekt“, setzte er an. Es könne jedoch nicht sein, dass die EU nun wieder die „Uralt-Technologie“ Atomkraft fördere. Genau das hatten acht Staaten, darunter Frankreich, Großbritannien und Polen, in einem Brief an die EU-Kommission gefordert.

Gabriels Zorn gilt vor allem den Briten, die zwei Reaktoren im Atomkraftwerk Hinkley Point C in Südwestengland staatlich subventionieren und dafür grünes Licht aus Brüssel erhalten hatten. Der SPD-Politiker grollt aber auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger hat nämlich einen 315 Milliarden Euro schweren Investitionsplan aufgelegt, von dem auch Atomkraftwerksbauer profitieren könnten.

„Nicht mit unserer Zustimmung“, sagte Gabriel zu den AKW-Projekten aus Großbritannien und Polen. Die Atomkraft sei schon 50 Jahre alt und damit nicht mehr förderwürdig. Nein sagte Gabriel auch zu den Überlegungen, ein staatliches Käuferkartell auf dem Gasmarkt zu bilden, um Russland zu Konzessionen zu zwingen. Das wäre eine „Re-Verstaatlichung“, sagte der SPD-Chef. Für Kauf und Verkauf von Gas seien aber die Unternehmen zuständig.

Leider wurde nicht bekannt, was Gabriels polnische und baltische Kollegen zu diesem Verdikt sagen. Sie sehen in der Energieunion nämlich ein Mittel, sich gegen mögliche Pressionen Russlands zu wehren und ihre Versorgungssicherheit beim Gas zu erhöhen. Dieses Ziel verfolgt auch EU-Ratspräsident Donald Tusk, der die Energieunion auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels gesetzt hat. Nach Gabriels Auftritt in Brüssel könnte es Streit geben.

Unterstützt wird Tusk von den Grünen im Europaparlament. „Bei den Verhandlungen mit Lieferländern müssen die EU-Mitgliedstaaten in Zukunft an einem Strang ziehen und gemeinsame Verträge schließen“, fordert Fraktionschefin Rebecca Harms. Dass einige Regierungen immer noch glauben, sie könnten alleine bessere Konditionen erreichen, sei „lächerlich.“

Unzufrieden sind die Grünen auch mit den fehlenden Vorgaben zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. „Die Minister gehen in die falsche Richtung“, wenn sie allein auf Diversifizierung von Gasimporten und Schiefergas setzen, so Harms. In dieser Frage gibt es eine Annäherung an Gabriel. Auch er beklagte zu vage Vorgaben bei Erneuerbaren und Effizienz. ERIC BONSE