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Archiv-Artikel

Bild und Vorstellung

FOTOGRAFIE Hans-Christian Schink reiste in die Antarktis und zeigt in der Guardini-Galerie seine Bilder neben denen einer Expedition von 1898/99

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Wäre die Pinguin-Kacke nicht, die die vordersten Felsen am Ufer rötlich gefärbt hat, man könnte glatt glauben, Hans-Christian Schink wäre mit Schwarzweißfilm in die Antarktis gereist. Die Abwesenheit von Farben, die Reduktion auf verschiedene Schattierungen Weiß, Schwarz und Grau in einer Landschaft aus Schnee, Fels und Wasser verstärkt den Eindruck des Menschenleeren. Terra incognita, so hat sie sich vielleicht schon dem Blick der ersten Forscher geboten.

2010 unternahm der Fotograf Hans-Christian Schink eine Weltreise, zwei Wochen hielt er sich dabei in der Antarktis auf. Die Bilder, die er dort machte, mit einer analogen Kamera, sind voller Hingabe an das Monumentale und Elementare der Landschaft. Er setzt sie in seiner Ausstellung „Scenerie und Naturobjekt“ in der Guardini-Galerie ins Verhältnis zu Fotografien und einigen Zeichnungen, die 1898/99 entstanden sind. Damals war auf dem zum Forschungsschiff umgebauten Dampfer „Valdivia“ die erste deutsche Tiefseeexpedition aufgebrochen, die auch bis zur Antarktis reiste. Die Bilder des Bordfotografen Friedrich Wilhelm Winter, des Zoologen Carl Apstein und des Navigationsoffizieres Walter Sachse wurden neu vergrößert, mit allen Beschädigungen der alten Glasplattennegative. Der historische Abstand bleibt so jederzeit sichtbar.

Schinks großformatige Landschaften wirken so nüchtern, so pur und grandios in ihrer Stille und Weite, dass sie einem den Atem nehmen. Man denkt eigentlich nicht darüber nach, dass ihre Bildausschnitte bewusst so gewählt worden sind, dass sie die anwesenden Menschen und ihre technische Ausrüstung ausblenden. Doch sie sind dokumentierendes Bild und Reaktion auf unsere Vorstellung von den kalten Wüsten am Ende der Welt zugleich. Das wird deutlich durch ihre Gegenüberstellung mit der Bildwelt der Reisenden vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Denn die dienten einerseits der Dokumentation, etwa der Sammlung der unterschiedlichsten Formationen von treibenden Eisbergen, von Fischen und Farnen. Andererseits nahmen sich Forscher und Schiffscrew aber auch als mutige Entdecker auf; mit forschem Schritt schreitet ein Seemann auf eine brüllende Seerobbe zu. Es zeugt von Witz, wie die Crew halb hinter Felsen versteckt sich einer großen Kolonie Pinguine nähert.

Das alles wirkt wie eine kleine Inszenierung des Eindringens in eine bis dahin unberührte Landschaft – samt ihrer Aneignung. Der Impuls hingegen, gerade das noch Unerschlossene, Menschenferne zu feiern und ihm mit einem beinahe demütigen Respekt gegenüberzutreten, ist mehr eine Angelegenheit der späteren Generationen, die schon wissen, was der Verlust der unberührten Landschaften für Folgen zeitigte.

In die Eislandschaften der Antarktis reiste auch die britische Künstlerin Emma Stibbon, die in der Galerie Bastian großformatige Zeichnungen zeigt, „Ice Mirage“ betitelt. In zartesten Farbschleiern dramatisiert sie die Himmel über den Eisbergen, zeichnet Nebel und Verwehungen, betont das Steile aufragender Felsen, Lichtspiegelungen im Wasser. Wie in der Malerei der Romantik fühlt man sich angeweht vom Schauer des Erhabenen, dem Schrumpfen ins Unbedeutende, das den Menschen vor der Größe der Natur ergriff. Die Melancholie des Verlorenen liegt dabei über Stibbons Arbeit.

Solch theatralische Überhöhung ist Schink fern. Der Fotograf, der sich mit Projekten über die Verkehrsbauten der deutschen Einheit oder zu Japan nach der Atomkatastrophe einen Namen gemacht hat, zeigt fast nie Wolken. Undurchdringlich sind seine Himmel, ohne Schatten setzt er die Landschaft in Szene. Das ist ein Offenhalten des Blicks, ein Standhalten gegenüber dem Angeschauten, das seine Sogkraft ganz allmählich entwickelt.

■ „Scenerie und Naturobjekt“ in der Guardini-Galerie, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 14–18 Uhr; bis 18. April

■ Ice Mirage, Galerie Bastian, Do–Fr 11–17.30 Uhr, Sa 11–16 Uhr; bis 28. März