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Archiv-Artikel

Gedenken an den „blutigen Sonntag“

USA Präsident Obama erinnert in Selma an schwarze BürgerrechtlerInnen, die 1965 für das Wahlrecht demonstrierten. Gleichzeitig betont er mit dem Hinweis auf Ferguson, dass der Kampf gegen Rassismus und für gleiche Rechte noch nicht zu Ende ist

Obama verweist auf das heute in vielen Bundesstaaten durch Schikanen eingeschränkte Wahlrecht

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Die Brücke von Selma hat an diesem Wochenende wieder im Zentrum des US-amerikanischen Geschehens gestanden. Barack Obama, Tausende alte und neue BürgerrechtlerInnen, Hunderte DemokratInnen und eine Handvoll gewählte republikanische PolitikerInnen gedachten des „Bloody Sunday“. Er war, sagte der Präsident auf dem Asphalt, „ein Wendepunkt in unserer nationalen Geschichte“.

Am 7. März 1965 überquerten Hunderte von BürgerrechtlerInnen die Brücke. Sie gingen in Zweierreihen auf dem Bürgersteig, um den Verkehr nicht zu stören. Sie waren unterwegs nach Montgomery, in die Hauptstadt des Bundesstaates Alabama, um dort für Wahlrecht für AfroamerikanerInnen zu demonstrieren. Am Ende der Brücke warteten State Trooper und Männer vom Ku-Klux-Klan. Auf einen Befehl ihrer Vorgesetzten prügelten sie mit verbissener Entschlossenheit auf die unbewaffneten, betenden DemonstrantInnen ein. Zahlreiche mussten mit lebensbedrohlichen Verletzungen behandelt werden.

Wenige Tage später protestierte eine sehr viel größere – dieses Mal schwarz und weiß gemischte – Menschenmenge gegen die Gewaltorgie auf der Brücke. Und wenige Wochen später musste Präsident Lyndon B. Johnson ein Gesetz über das Wahlrecht ankündigen. Es sorgte dafür, dass alle US-BürgerInnen – unabhängig von Hautfarbe, Bildungsstand, Einkommen und Wohnort – wählen dürfen.

John Lewis überlebte die Brücke von Selma mit einem Schädelbruch. 50 Jahre später ist er Kongressabgeordneter der Demokratischen Partei. Am Samstag war er einer der beiden VeteranInnen der Bewegung, die Hand in Hand mit Obama an der Spitze der Gedenkdemonstration durch Selma zogen. In seiner Rede pries der Präsident die Moral und den Mut der DemonstrantInnen von damals und nannte sie ein Beispiel für den „amerikanischen Exzeptionalismus“.

Zugleich sagte er, ihre Arbeit sei noch nicht beendet. Neben anderen „Schatten“ des Rassismus zählte er die Ereignisse von Ferguson und das heute in vielen Bundesstaaten wieder durch neue Schikanen eingeschränkte Wahlrecht auf. Zusammen mit Obama und seiner Familie war sein Amtsvorgänger George W. Bush mit Gattin zu der Gedenkveranstaltung gekommen. Doch von den republikanischen Kongressabgeordneten fanden nur drei den Weg nach Selma.

Hinter dem Kopf des Präsidenten war während der Übertragung seiner Rede der Name der Brücke zu erkennen: Edmund Pettus Bridge. Der Name stammt von einem Anwalt und General, der im Bürgerkrieg für die Sklaverei gekämpft hat und später in Selma zum Chef des Ku-Klux-Klan wurde. Niemand hat daran gedacht, den Namen der Brücke zu ändern. Jetzt versucht es eine Gruppe von StudentInnen mit einer Petition (www.change.org/p/rename-selma-s-edmund-pettus-bridge-marchon). In dem Land mit mehr als 300 Millionen EinwohnerInnen haben bislang 160.000 Menschen unterschrieben.

Parallel zu der Veranstaltung mit dem Präsidenten überquerten am Samstag Bürgerrechtler an zahlreichen anderen Orten der USA Brücken. „Selma ist überall“, stand auf einem Transparent, das in New York über die Brooklyn Bridge getragen wurde.

In Madison, Wisconsin, Hunderte Kilometer nordwestlich von Selma, demonstrierten junge Leute gleichzeitig gegen tödliche Schüsse eines Polizisten auf einen unbewaffneten schwarzen Mann. Als wäre Selma nie passiert, trugen sie den Slogan „Black Lifes Matter“ – schwarze Leben zählen – durch ihre Stadt. Am Vorabend war der 19-jährige Tony Robinson in einer Wohnung erschossen worden.