: Systemkritik mit dem Grillanzünder
In Sachen Brandanschläge auf Autos gab es bislang 14 Festnahmen und eine Verurteilung. Weil es vor allem dicke Autos trifft und es einige Bekennerschreiben mit Kapitalismuskritik gibt, geht die Polizei von linksradikalen Tätern aus
In Berlin sind 1.226.000 Autos zugelassen. Die fahren und parken auf 5.023 Kilometer Straße. „Die Polizei kann das nicht alles überwachen.“ Mit dieser Feststellung räumte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Anfang November im Innenausschuss ein, dass man dem Phänomen der Brandanschläge auf Autos mehr oder weniger machtlos gegenübersteht. Am Dienstag meldete die Polizei nun den 100. Fall in diesem Jahr. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 36.
100 Fälle, das heißt, 112 Autos, die ganz oder teilweise verbrannt sind. Die Differenz erklärt sich so, dass bei einer Tat manchmal mehrere Wagen durch das Überspringen der Flammen beschädigt wurden. Bevorzugte Anschlagsobjekte sind teure, neuwertige Pkw: Die Liste der Polizei wird von der Marke DaimlerChrysler angeführt (36-mal betroffen) gefolgt von BMW, Renault und Opel (jeweils 11) Ford (6) Audi (5), auch 2 Polizeiautos sind darunter. Hochphase der Anschläge war im Mai und Juni, rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm.
Deshalb und weil die Taten auf sehr ähnliche Weise mit einfachen Mitteln begangen werden, vermute man die Täter in der linksradikalen Szene, verlautet aus dem Staatsschutz, der die Ermittlungen leitet. Einfache Mittel bedeutet, dass leicht entflammbare Gegenstände oder ein Grillanzünder auf die Autoreifen gelegt und angesteckt werden. „Bis es richtig brennt, sind die Täter über alle Berge“, sagt ein Beamter lakonisch. Schwerpunkte sind Kreuzberg-Friedrichshain und Mitte.
Auch aus den wenigen Bekennerschreiben – die Polizei spricht von fünf – ergeben sich außer einer allgemeinen Kapitalismuskritik keine näheren Aufschlüsse auf die Motive der Täter. Auch nicht, warum auch Autos angezündet wurden, die schon 10, 14 Jahre alt waren. „Autos von kleinen Leuten aus dem Kiez, die auf den Kosten sitzen bleiben, weil sie keine Vollkasko haben“, wie ein Beamter sagt. Auch die „miilitante gruppe“ (mg), die sich im Mai zu den Anschlägen auf die Polizeifahrzeuge bekannte, hat das wahllose Vorgehen im Sommer in der Autonomenzeitung Interim kritisiert. Hat das etwa Wirkung gezeigt? Laut Polizei waren in letzter Zeit wieder vermehrt hochwertige Autos mit Firmenlogos zum Bespiel von der Deutschen Bahn oder Vattenfall betroffen.
14 Tatverdächtige wurden inzwischen festgenommen. Zwei sind inzwischen außer Verdacht, gegen 11 wird weiter ermittelt. Einer wurde im Oktober zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zu den Tätern, die bislang aus den Reifen von mehr als 200-PS-starken Limousinen und Geländewagen die Luft herausgelassen haben, sieht die Polizei keine Verbindung. Letztere weisen bei ihren Aktionen auch auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Autofahren hin. PLUTONIA PLARRE