piwik no script img

Archiv-Artikel

Erfinder der konkreten Poesie

PIONIER Die Bremer Weserburg widmet dem Künstler Eugen Gomringer zu seinem 90. Geburtstag eine Ausstellung. Der Schweizer ist der Meister des Pingpong-Spiels der Worte

ping pong ping pong ping pong ping pong ping pong

VON RADEK KROLCZYK

ping pong ping pong ping pong ping pong ping pong

Dieses 1951 entstandene bildhafte Gedicht gilt als Anfang der konkreten Poesie. Geschrieben und gesetzt hatte es der heute 90-jährige Eugen Gomringer. Das in der Bremer Weserburg ansässige Studienzentrum für Künstlerpublikationen widmet dem Schweizer Autor und Künstler zu seinem runden Geburtstag eine kleine Ausstellung. Gomringer gilt als Pionier eines Genres, das Verbindung von Kunst und Sprache feiert. Unter Fachleuten gibt es gelegentlich Streit darüber, ob er nun in erster Linie als Künstler oder als Schriftsteller zu behandeln sei.

Auch gilt er als Pionier eines Genres, das die Verbindung von Schrift und Bild feiert. Wobei Schrift ja im Grunde immer eine Verbildlichung von Sprache darstellt. Allein schon durch die Übertragung des Wortes in grafische Zeichen – ganz gleich ob nun altägyptische Hieroglyphen oder unsere lateinischen Buchstaben.

Als Experiment findet man bewusst gestaltete und gesetzte Gedichte bereits im 19. Jahrhundert bei Stéphane Mallarmé und Christian Morgenstern. Von Morgenstern gibt es ein als „See“ betiteltes Poem, das ausschließlich aus Wellenlinien besteht. Systematisch allerdings widmen sich erst in den 1950er- und 1960er-Jahren Vertreter der konkreten Poesie wie Franz Mon, Gerhard Rühm oder eben Eugen Gomringer. Sie alle erforschten auf spielerische Weise die Möglichkeiten der geschriebenen Sprache. So machten sie etwa Versuche mit Schriftbildern oder der Anordnung von Buchstaben und Worten. Wobei oftmals eine Verbindung des grafischen Bildes und der Bedeutung der Worte hergestellt wurde. So wie etwa im Pingpong-Spiel der Worte im oben stehenden Gedicht. Bei Künstlern, die mit Schrift und Bild arbeiten, liegt die Produktion von Druckerzeugnissen wie Zeitschriften oder Büchern natürlich sehr nahe. So werden in der Bremer Ausstellung vor allem Publikationen von Künstlern gezeigt.

Es mag kein Zufall sein, dass zeitgleich Künstler begannen, sich solche Druckmedien anzueignen. Verbunden war damit sicherlich die Idee der Demokratisierung des Mediums. Ohne eine größere Organisation oder einen Verlag im Hintergrund waren die ersten Veröffentlichungen quasi selfmade. Solche publizierten Kunstwerke sammelt das Studienzentrum bereits seit den 1990er-Jahren. Inzwischen gehört die Bremer Sammlung zu den wichtigsten ihrer Art.

So sieht man in der Ausstellung etwa einige gerahmte Ausgaben der Zeitschrift Spirale, die ab 1953 neun Mal erschien. Gomringer betätigte sich hier mit Kunstschaffenden wie Dieter Roth, Hans Arp und anderen als Verleger. Die großformatigen Hefte waren interdisziplinär angelegt. Sie handelten von Literatur, Kunst, Gestaltung und Architektur. Verbindend war das Motiv der Spirale, die als mechanisches Teil, konstruktivistische Zeichnung, Buchstabenstrudel oder Schneckenhaus das Cover zierte. Als skandalös wurde der viel ungenutzte Raum, der Weißraum, gesehen. Man sah es als Verschwendung an, nicht jede freie Fläche mit Buchstaben vollzudrucken. Während dieser Zeit entstanden einige von Gomringers Büchern. So etwa mit dem Künstler Günther Uecker oder dem Grafiker Anton Stankowski. Mit dem einen produzierte er das Fühlbuch „fehler im system“, mit dem anderen das Formenlehrbuch „gucken“.

Eine seiner neuesten Arbeiten, die nun auch in Bremen zu sehen ist, entstand in Zusammenarbeit mit der Bildhauerin Gisela von Bruchhausen. Der Titel ist „negro y blanco“. Es handelt sich um gefaltete Papierreliefs. Gomringers Buchstabenspiele erreichen in dieser Serie eine neue Dimension. Sprache geht nun sogar über das Bild hinaus und wird zur Skulptur.

„Eugen Gomringer – Eine Hommage“: bis 12. 4., Studienzentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg, Teerhof 20, Bremen