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Archiv-Artikel

Hang zum Hysterischen

FUSSBALLFANS Wegen der Anfeindungen in Karlsruhe fordert RB Leipzigs Sportdirektor Gefängnisstrafen

KARLSRUHE taz | Gegen 23.30 Uhr konnte dann auch Ralf Rangnick den Parkplatz vor der Karlsruher Haupttribüne verlassen, der Mannschaftsbus der Gäste rollte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls leicht verspätet von dannen. Er wurde von Karlsruher Ultra-Fans blockiert, weil KSC-Spieler Philipp Max nach dem torlosen Remis sein Trikot mit einem Leipziger Kollegen getauscht hatte. Als der das wertvolle Textil wieder herausrückte, beruhigte sich die Lage und der Bus konnte losfahren. Das eigene Vereinswappen gilt bei den Ultras als Heiligtum und darf unter keinen Umständen in die Fänge eines Gegners wie RB Leipzig gelangen. Der Verein ist für die meisten deutschen Ultras schließlich das Feindbild schlechthin.

Bereits am Montagnachmittag waren 20 Anhänger des KSC im Leipziger Mannschaftshotel im südpfälzischen Herxheim erschienen und hatten offenbar im Außenbereich Getränke bestellt. „Glücklicherweise waren die Spieler da auf ihrem Zimmer“, erklärte Rangnick. „Wenn die aber beim Essen gewesen wären, weiß ich nicht, was dann passiert wäre.“ Das weiß auch Volker Körenzig nicht. Der Leiter des Karlsruher Fanprojekts zitiert lieber die Landauer Polizei, die wie das betroffene Hotel erklärte, dass „nichts, aber auch gar nichts strafrechtlich Relevantes passiert sei“.

Für Körenzig zeigt die ganze Aufregung vor allem, dass sich die Berichterstattung im Fußball ins Hysterische verlagert hat. RB-Sportdirektor Ralf Rangnick nahm die Vorfälle rund um das Auswärtsspiel in Karlsruhe dennoch zum Anlass, um über eine aus seiner Sicht generelle Entwicklung im Fußball zu reden. Er nannte in diesem Zusammenhang auch die Anfeindungen gegen Marcel Reif durch Dortmunder Fans: „Wir sind allmählich an einem Punkt angekommen, an dem wir wirklich aufpassen müssen. Im Fußball sollten die gleichen Maßstäbe gelten wie anderswo.“ Man müsse darüber nachdenken, ob man nicht wie in den Niederlanden verfahre, so Rangnick. Dort waren Rotterdamer Hooligans, die in Rom randaliert hatten, Ende Februar von einem Schnellgericht zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden.

KSC-Fanprojektler Volker Körenzig sieht das anders: „Auch mir gefällt es nicht, wenn ich beleidigt werde. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, deswegen Gefängnisstrafen zu fordern.“

CHRISTOPH RUF