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Archiv-Artikel

Zocken um den Superhafen

Bei der Planung des Tiefwasserhafens haben Bremen und Niedersachsen heftig um Macht und Millionen gefeilscht. Nur Bremens Altbürgermeister Scherf will sich das Projekt nicht vom „Wahlkampftheater“ kaputt reden lassen

TIEFWASSERHAFEN IN KÜRZE

Ob der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven wirklich 2010 in Betrieb geht, ist bislang wegen ausstehender Gerichtsentscheide und wegen Stahlmangels ungewiss. Noch ist nicht mal der erste Bagger am Jadebusen angerückt. Fest steht: An einer Terminallänge von 1.725 Metern mit 16 Containerbrücken sollen bis 2016 jährlich etwa 2,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen werden. Hier können Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 18,50 Metern gelöscht werden. Im Frühjahr 2001 verständigten sich die Regierungschefs von Niedersachsen, Bremen und Hamburg auf den Bau des Hafens. Hamburg stieg nach der Wahl 2002 aus dem Projekt aus. Insgesamt soll das Projekt rund eine Milliarde Euro kosten. Die Infrastruktur zahlen Niedersachsen mit 510 Millionen Euro und Bremen mit 90 Millionen Euro. Der künftige Hafenbetreiber, die hamburgisch-bremische Eurogate-Gruppe will rund 350 Millionen Euro investieren. TAZ

VOM KAI SCHÖNEBERG

Von einer „historischen Investition“, gar von einer „Weltmarktinvestition“, spricht Henning Scherf. Der Bremer Alt-Bürgermeister ist „nicht so amüsiert“, dass er an diesem Donnerstag vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „großen Hoffnungsinvestition an der Küste“, dem von Bremen und Niedersachsen getragenen Tiefwasserhafen in Hannover, erscheinen muss. Der Vertrag, den er im November 2002 mit seinem damaligen Regierungschef- und SPD-Kollegen Sigmar Gabriel verfasst hat, sei nicht nur ein „hochintelligentes Konstrukt“ gewesen. Es sei doch auch „eine ausgesprochen positive Erfahrung, dass das nach dem Wahlsieg 2003 fortgesetzt worden ist“, zusammen mit CDU-Ministerpräsident Christian Wulff. Beide seien sich „immer einig gewesen, dass das ein großartiges Projekt“ ist. „Dieses Über-den-Tisch-ziehen“, belehrt Scherf nachhakende Abgeordnete im Ausschuss, „das hat doch nichts mit dem zu tun, was wir da gemacht haben“. Allein die Frage sei schon eine „Abwertung“.

Scherf hat ein SPD-Parteibuch. Seinen Hafen will er sich jedoch von dem von SPD und Grünen eingesetzten Ausschuss nicht kaputt reden lassen: „Wahlkampftheater“, sagt er vor der Zeugenvernehmung.

Warum zahlt Bremen nur 20, Niedersachsen aber 80 Prozent für den Superhafen, obwohl beide Länder in den Gremien gleichberechtigt vertreten sind? Gab es da kein Mauscheln, als die von Bremen kontrollierte Logistikfirma Eurogate im April 2006 in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren zum Betreiber des Hafens gekürt wurde? Fragen, die sich die Abgeordneten stellen. Fragen, auf die es beim Ausschuss Antworten, zu denen es aber auch weiter viele Spekulationen gibt.

Dass Bremen und Niedersachsen bei der Bildung der Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft (JWP) heftig um Millionen gezockt haben, wird aus der Zeugenaussage von Susanne Knorre klar: „Es ist schon relativ schwer, uns über den Tisch zu ziehen“, betont die Frau, die bis 2003 Wirtschaftsministerin in Niedersachsen war. Bei den Verhandlungen sei „es teilweise richtig hoch hergegangen“. Niedersachsen stelle immerhin den ersten Aufsichtsratsvorsitzenden in der JWP, „die Rolle eines stellvertretenden Geschäftsführers“, die der Bremer Jürgen Holtermann einnimmt, hält Knorre für „nicht kriegsentscheidend“. Niedersachsen habe beim Hafen, dessen Baubeginn bis heute in den Sternen steht, „alle Trümpfe in der Hand“. Beim Deal habe es auch stets eine Drohkulisse gegeben. Knorre: „Am Ende des Tages können wir das auch selber machen.“ Scherf nennt „Geheimabsprachen“ zugunsten Eurogates „dummes Zeug“.

Knorre sagt, die Betreiberfrage habe bei den Verhandlungen keine Rolle gespielt. Sonst hätte ja ihr Nachfolger, Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP), die Ausschreibung „nicht nach Recht und Gesetz durchgeführt“. Genau das vermutet die Opposition: Schon 2005 hat Holtermann, der auch Chef der vom Land kontrollierten Bremenports ist, gesagt, mit dem „Know-how der Bremer Eurogate steht ein potenter Betreiber bereit“. Niedersachsen habe offenbar während der Ausschreibung versucht, Bremen zu erpressen: Nur wenn sich Bremen bereit erkläre, 40 Jahre lang einen Erbbauzins für das niedersächsische Hafengelände in Höhe von insgesamt 180 Millionen Euro zu zahlen, könne Eurogate den Zuschlag bekommen, vermuten Ausschuss-Mitglieder. Eurogate-Wettbewerber sind, so die Vermutung, mit Brosamen vom Land abgespeist worden, damit sie nicht rechtlich gegen die Ausschreibung vorgehen. So hat das Land der Firma Rhenus Midgard mit 21 Millionen Euro bei der Ausstattung der Niedersachsen-Brücke in Wilhelmshaven geholfen.

Sigmar Gabriel wartet draußen auf seine Zeugenaussage und regt sich auf. „Ums Verrecken“ habe er damals den Hafen nicht allein stemmen wollen: „Was soll ich denn einen ruinösen Wettbewerb mit einem Teil Niedersachsens machen?“, witzelt der heutige Bundesumweltminister. Über den Tisch ziehen? „Dass diejenigen, die das Projekt damals nicht wollten, heute solchen Unfug erzählen, erstaunt mich schon“, sagt Gabriel. „Niedersachsen ist der größte Nutznießer des Hafens, 100 Prozent der Wertschöpfung finden bei uns statt.“ Deshalb sei es doch richtig gewesen, dass Niedersachsen auch die Hauptfinanzierung übernehme. Zudem hätten die Bremer Angst gehabt, über den Tisch gezogen zu werden: „Deshalb wollten wir nur einstimmige Entscheidungen treffen.“