„Erneuerbare sollen keine Abzocker sein“

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) ist der Dachverband aller Organisationen im Sektor der erneuerbaren Energien. Nach neun Jahren will BEE-Chef Johannes Lackmann die Strategie des Verbandes nicht mehr mittragen

JOHANNES LACKMANN, 56, wird sein langjähriges Amt als BEE-Präsident im Januar niederlegen.

taz: Herr Lackmann, zu welchem Anteil ist der BEE noch ein Umweltverband oder: In welchem Maße ist er längst Lobbyverein der Ökoenergiebranche?

Johannes Lackmann: Das ist so natürlich nicht zu quantifizieren. Aber eines ist klar: Die Lobbyarbeit hat immer mehr zugenommen, weil sich in einigen Mitgliedsverbänden und mehr noch bei den größeren Unternehmen der Branche die Prioritäten verschoben haben.

Worin äußert sich das?

Es wird zunehmend eine rein wirtschaftliche Interessenvertretung erwartet. Hersteller von Photovoltaik-Anlagen haben in den letzten Jahren oft mit ihren großen Erfolgen in der Kostenreduktion geprahlt. Jetzt bei der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes wollen sie sich nicht daran messen lassen. Die Vergütung soll möglichst so bleiben, wie sie ist. Diese Position ist nicht glaubwürdig. Verbandsziel war immer, die erneuerbaren Energien so kosteneffizient wie möglich an die Verbraucher weiterzugeben. Auch die größeren Hersteller von Windturbinen verabschieden sich aus der gemeinsamen Effizienzstrategie und schielen auf einen EU-weiten Zertifikatehandel für grünen Strom, der die Verbraucher mit 100 Milliarden Euro höher belasten wird.

Was sollte stattdessen Ziel der Verbandsarbeit sein?

Ich persönlich sehe die Aufgabe des BEE auch darin, eine Re-demokratisierung der Energiewirtschaft voranzubringen. Mein Ziel ist es, die neue Energiewirtschaft in ihrer Dezentralität und Kreativität davor zu bewahren, zu einem Bestandteil der alten korrupten Abzockermonopole zu werden.

Mit Ihrem Rücktritt wollen Sie Änderungen erwirken?

Ich möchte mit meinem Rücktritt den Verband auch dazu drängen, sich klar zu positionieren. Viele Unternehmen und einige Mitgliedsverbände, die den BEE als Dachverband tragen, sind nicht bereit, sich in diese Richtung klar zu positionieren. Bei vielen Unternehmen und in der Politik selbst sehe ich sogar eine ziemliche Gleichgültigkeit in der Strukturfrage. Vor allem sehe ich nicht die Bereitschaft, sich dafür so zu engagieren, dass man dafür einen starken, arbeitsfähigen Verband ausstattet.

Aber viele Firmen sind doch politisch sehr aktiv.

Genau das ist es: Die Unternehmen gründen lieber eigene Repräsentanzen in Berlin und machen klassische Lobbyarbeit in eigener Sache. Das Gesamtziel, eine ökologische, dezentrale, mittelständische Energiewirtschaft aufzubauen, haben sie aus den Augen verloren. Da entsteht ein gewisser Autismus der verschiedenen Branchen und Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien.

Ist das denn in einem erfolgreichen Industriezweig nicht normal?

Es ist entwicklungstypisch, ja. Aber für mich persönlich stellt die veränderte Aufgabenstellung keine Herausforderung dar, und sie entspricht auch nicht meinem Naturell. Ich will nicht in Politik und Medien nur als Industrielobbyist wahrgenommen werden.

INTERVIEW: BERNWARD JANZING