: Musisch Begabte bevorzugt
Bildungsbehörde startet neuen Schulversuch: Einige beliebte Gymnasien und Gesamtschulen dürfen künftig 55 Prozent ihrer Schüler selber auswählen. GAL fürchtet Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Familien
Jede Woche ein neuer Schulversuch, das scheint der Wahlkampfstil von CDU-Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig zu sein. Erst vorige Woche wurde bekannt, dass Schulen Noten abschaffen und durch neuartige Kompetenz-Raster ersetzten dürfen. Jetzt plant die Bildungsbehörde zum nächsten Schuljahr ein weiteres Pilotprojekt. „Gut ein halbes Dutzend Schulen“, so formuliert es Behördensprecher Alexander Luckow, dürfen dann „gucken, ob der Schüler zur Schule passt“.
Bei den Beteiligten handelt es sich sogar um 17 Schulen, darunter das Christianeum in Othmarschen, das Johanneum in Winterhude, das Gymnasium Klosterschule am Berliner Tor und die Max Brauer Gesamtschule in Altona. Letztere hatte 2007 so viele Anmeldungen, dass sogar sieben 5. Klassen errichtet werden mussten. Bisher gilt bei der Auswahl der Schüler das Wohnortprinzip: Je näher er dran wohnt, desto eher bekommt er einen Platz. Doch der Andrang an diesen Schulen ist laut Luckow so hoch, „dass das Wohnortprinzip nicht mehr hilft, selbst wenn man es eng auslegt“.
Künftig sollen dort deshalb nur 45 Prozent der Plätze auf die alte Weise vergeben werden und der Rest anhand neuer Kriterien. Im Gespräch mit Eltern und Kindern sollen die Schulleiter klären, ob das Kind zum Profil der Schule passt und zum Beispiel ein Instrument spielt und musisch begabt ist.
Die SPD-Abgeordnete Britta Ernst sieht den Vorgang kritisch: „Ich sehe die Gefahr, dass sich die Schulen die leistungsstarken Schüler aussuchen“, sagt sie, und fragt nun in einer Kleinen Anfrage, nach welchen Kriterien ausgewählt werden soll. „Dies ist keine Lösung, die der sozialen Entmischung entgegen tritt“, moniert auch GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Sie fürchtet künftig eine Zwei-Klassen-Konkurrenz unter Gymnasien. Eine Ausnahme sei die Max-Brauer-Schule, die sich bewusst verpflichte, einen bestimmten Anteil an Kindern mit Hauptschulempfehlung aufzunehmen. Und GEW-Chef Klaus Bullan schwant gar, dass hier ein Modell getestet werden soll, dass man bald auf ganz Hamburg ausweiten will: „Das wäre ein Bonbon der CDU für die konservative Klientel.“ Besonders absurd sei, das Spielen eines Instruments tatsächlich zur Voraussetzung zu machen. Bullan: „Die Schule soll Kinder doch an Instrumente heranführen. Jetzt werden nur die genommen, die schon eins spielen.“
Luckow dagegen erklärt die Kritik, dass hier Kinder aus bildungsfernen Familien benachteiligt werden, für voreilig: „Das wird kein verantwortungsvoller Schulleiter tun.“ KAIJA KUTTER