Ein Role Model, ein Held

SCHWULER VERKLAGT ELTERN

Für El-A. war es ein Bekenntnis zu sich selbst

Nasser El-A. hat keine Familie mehr, dabei ist er erst 18 Jahre alt. Mit 15 ist er von zu Hause weggelaufen. Weil eine Klassenkameradin schwätzte, haben seine Eltern damals erfahren, dass er schwul ist. Im Islam sei das eine Todsünde, hat Nasser El-A. in den letzten Wochen vielen Zeitungen und TV-Sendern erzählt. Sein Vater habe gedroht, ihn umzubringen. Als ob sich der Sohn seine Homosexualität ausgesucht hätte …

Sein Vater und acht Onkel kannten ein Mittel gegen dieses Anderssein: Eine Zwangsheirat sollte es richten. Und so wurde Nasser El-A., der unter Pflegschaft des Jugendamts stand, im Dezember 2012 entführt. Doch Grenzer stoppten das Auto auf dem Weg in den Libanon; Nasser El-A. konnte sich in Sicherheit bringen.

Am Donnerstag mussten die Eltern für ihre Homophobie bezahlen. Dem Vater und zwei Onkeln wurde wegen der Entführung der Prozess gemacht. Eine kurze Angelegenheit: Die Angeklagten waren zu feige, vor Gericht zu erscheinen. Das Amtsgericht verhängte Geldstrafen von je 1.350 Euro. Das Urteil dürfte für El-A. – der nicht auf Rache aus ist, wie er sagt – Genugtuung sein. Es ist aber auch ein Signal an potenzielle Nachahmungstäter.

Der 18-jährige Nasser El-A. ist mutig, richtig mutig. Er geht mit seinem Fall in die Öffentlichkeit und zeigt sogar sein Gesicht. Das ist heldenhaft – und riskant. Horrorszenarien will sich indes keiner ausmalen, denn unweigerlich lässt das Thema Zwangsheirat an Mordopfer wie Hatun Sürücü denken.

Sein Schritt in die Öffentlichkeit war richtig, ja notwendig. Das öffentliche wie medienwirksame Coming-out eines Migrantenkinds ist immer noch spektakulär, weil ziemlich einmalig. Für Nasser El-A. war es ein Befreiungsschlag. Ein Bekenntnis zu sich selbst. Und klar, die Öffentlichkeit kann auch ein Schutzschild sein. Viel wichtiger aber ist, dass er zu einem Role Model werden kann für andere Jugendliche und junge Männer in einer ähnlichen Lage. Er hat gezeigt, dass man sich aus erdrückenden Verhältnissen – wenn auch unter Schmerzen – lösen kann. Mithilfe von außen. Nicht ohne Risiko. Aber mit Aussicht auf Gewinn und Zuwachs an Erfahrung. Nasser El-A. ist mit anderen Worten: ein Held. ANDREAS HERGETH