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Archiv-Artikel

Jetzt durchatmen

Prominente Stuttgarter raten zum Durchatmen. In den Tagen nach dem Volksentscheid wagen sie einen Ausblick in die Zeit danach. Die Politik werde nichts ändern, wohl aber die Menschen, sagen die einen. Langwierige Diskussionen über Stuttgart 21 sollten jetzt beendet werden, meinen die anderen

Ein kluger Schachzug

„Une querelle d'Allemand“ nennt der Franzose einen nicht enden wollenden Streit, dessen Argumente ins Absurde geraten: eine deutsche Zänkerei. Nun hat der Streit ein Ende genommen, und das ist auch gut so! Die Befürworter des Projekts lachen aber vielleicht zu früh, denn es ist immer noch nicht gesagt, dass die Zukunft ihnen recht geben wird: Die Konfrontation zwischen Plänen, Kostenvoranschlägen und deren Umsetzung in die Realität könnte härter werden als die zwischen Gegnern und Befürwortern.

Auch wenn ich dem Optimismus der Bahn nie wirklich vertraut habe, konnte ich in den letzten Jahren nicht umhin, an das Schicksal von französischen Städten wie Aix-en-Provence oder Senlis zu denken, deren Bürger Mitte des 19. Jahrhunderts die Eisenbahn abgelehnt und sich dadurch von der Anbindung an die industrielle Revolution abgeseilt haben. Ein solches Schicksal wünsche ich der Stadt und dem Land nicht. Vielleicht kam gestern die bestmögliche Lösung heraus, ein anspruchsvolles Projekt, das „kritisch und konstruktiv“ und ohne triumphierende Töne von der Regierung begleitet wird?

Die Durchführung des Volksentscheids war schließlich ein kluger Schachzug: Der Streit ist in der Regierung selbst beigelegt, der Ministerpräsident hat sich einen neuen Spielraum verschafft, da er keine Rücksicht mehr auf sein Wahlversprechen nehmen muss, Stuttgart 21 zu verhindern. Er hat das Ergebnis souverän angenommen und wirkte vor allem, im Gegensatz zu seinen Gegnern, nicht rechthaberisch.

Jean Baptiste Joly ist Leiter der Akademie Schloss Solitude

Nur gefühlte Mehrheit

Baden-Württemberg hat entschieden und bei der ersten Volksabstimmung nach 58 Jahren die langwierige Diskussion um S 21 für beendet erklärt. Und damit auch bewiesen, dass jene „gefühlte Mehrheit“ der Projektgegner eben nicht mit tatsächlicher Mehrheit gleichzusetzen ist.

Der Weg der Volksabstimmung war richtig, da nur so sichtbar werden konnte, über welche Akzeptanz das Projekt bei den Bürgern wirklich verfügt. So richtig der Weg war, so klar ist auch das Ergebnis. Es lässt eben keine Spielräume mehr für Interpretationen derjenigen, die gegen S 21 gestimmt haben. Wer dieses Ergebnis nicht akzeptiert, hält sich nicht an die demokratischen Spielregeln, die stets eingefordert wurden. Und all jene, die an der Stärke unserer demokratischen Ordnung gezweifelt haben, sind am 27. November 2011 vom Gegenteil überzeugt worden. Schon allein deshalb ist es für alle Bürgerinnen und Bürger ein hervorragendes Ergebnis!

Susanne Eisenmann ist Kulturbürgermeisterin der Stadt Stuttgart