Sehnsucht nach dem Rasen

Seine neue Rolle wirft jede Menge Fragen auf. Zum Beispiel, ob es in der Fußball-Regionalliga Nord jemals einen solch elegant gekleideten Trainer gegeben hat. Und wie es ein Profi mit Weltruhm im zweiten Teil seiner Karriere schafft, sich mit Duellen gegen den KFC Meuselwitz und Germania Halberstadt anzufreunden, wenn im Hinterkopf noch große Auftritte für Werder Bremen und den FC Bayern München herumspuken.

Valérien Ismaël schwärmt über sein neues Kapitel. „Das ist ein großer Vertrauensvorschuss“, sagt der Franzose dazu, dass er als Trainer-Novize soeben die Regionalliga-Mannschaft von Hannover 96 übernehmen durfte. Bei der 0:2-Heimniederlage gegen den Berliner AK 07 hat er gleich erlebt, dass auf ihn und sein Team jede Menge Arbeit wartet.

Ein „Kribbeln im Bauch“ verspürt Ismaël bei seinem nächsten Anlauf im gehobenen Fußball. Der 36-Jährige hatte wegen einer Knieverletzung vor zwei Jahren seine Karriere, die bei Hannover 96 ausklingen sollte, abrupt beenden müssen. Aber der Sportinvalide Ismaël legte sich auf seinem Weg in den vorgezogenen Kicker-Ruhestand einen Karriereplan zurecht, der beeindruckt. Er begann ein Studium der Betriebswirtschaft. Und wie ein Trainee, der bei einer Bank oder Versicherung Karriere machen möchte, hat sich Ismaël durch mehrere 96-Abteilungen gekämpft und lautlos Pluspunkte gesammelt. Als Assistent von Geschäftsführer Jörg Schmadtke. Als Repräsentant eines Vereins, dessen sportliche Entwicklung gut verkauft sein will. Klubchef Martin Kind musstenicht lange überlegen, ob „ein früherer Bayern-Star“ wie Ismaël in Hannover Umschüler sein darf.

Nun wird Ismaël lernen müssen, den Schiedsrichter anzuschreien, seine Spieler zusammenzustauchen und den Gegner zu verfluchen. Aber vielleicht geht es in einer Liga, die grob wirkt, ja auch feiner. Ismaël hat gerade an der Sportschule Hennef seinen A-Lizenz-Trainerlehrgang erfolgreich abgeschlossen und wollte sofort mit beiden Armen tief in die Arbeit greifen. Ein Mann, der nie Trainer werden wollte, muss sich eingestehen, dass er seine Leidenschaft für den Fußball unterschätzt hat. Ismaël möchte zurück in den Profibereich und seinen Spielern beibringen, wie man eine Partie offensiv bestreitet, den Gegner beherrscht und Probleme auf dem Platz nicht mit Kraft, sondern Intelligenz löst.

Als Verteidiger hat er seine Gegenspieler selten rüde gefoult, sondern meistens elegant um den Ball erleichtert. Als Trainer mit Ambitionen wird Ismaël bald vor der Frage stehen, wie fair er auftreten darf, wenn sein Fernziel ein Job als Bundesliga-Chefcoach ist. CHRISTIAN OTTO