: Der Bund legt eine Schippe drauf
HAUSHALT Die Regierung will unerwartete Überschüsse ausgeben. Notleidende Kommunen erhalten 3,5 Milliarden Euro. Die Grünen vermissen die „Zukunftsorientierung“
VON HANNES KOCH
BERLIN taz | Früher legten Bundesfinanzminister Nachtragshaushalte vor, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals stand. Vom Bundestag brauchten sie dann die Genehmigung, neue Schulden zu machen. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble ist nun in der Lage, einen Zusatzhaushalt zu präsentieren, weil er mehr Geld zur Verfügung hat als geplant. An diesem Mittwoch beschließt deshalb das Bundeskabinett 3,5 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben für 2015.
Trotzdem nimmt die Regierung keine neuen Kredite auf. „Die Null ist das Leitmotiv“, sagte Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU). Soll heißen: Die Große Koalition will in diesem und den kommenden Jahren ohne Neuverschuldung auskommen. Die Zusatzausgaben werden aus den höheren Steuereinnahmen bestritten. Weil die Wirtschaft wächst, sinkt damit die Schuldenlast Deutschlands. 2017 soll sie wieder unter 70 Prozent der Wirtschaftsleistung fallen. Im Zuge der Finanzkrise seit 2008 war sie stark angewachsen.
Die 3,5 Milliarden Zusatzausgaben in diesem Jahr rechnet sich vor allem die SPD zu. Das Geld kommt in einen Fonds, aus dem finanzschwache Kommunen gefördert werden. Diese können während der kommenden drei Jahre Hilfen für Investitionen in Straßen, Bäder, Schulen oder Kitas erhalten. Außerdem sollen zwischen 2016 und 2018 10 weitere Milliarden Euro in öffentliche Investitionen fließen. Gut 4 Milliarden sind gedacht für Straßen und Datenleitungen. Für Klimaschutz plant die Regierung 1,5 Milliarden zusätzlich ein. Und auch die Entwicklungshilfe soll ab 2016 um mehr als 1 Milliarde Euro jährlich zunehmen.
Obwohl die absolute Summe für Investitionen im Bundeshaushalt wächst, sinkt ihr Anteil im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Budgets, die sogenannte Investitionsquote. Während diese heute rund 10 Prozent beträgt, sollen es 2019 nur noch 9 Prozent sein. Daran entzündet sich Kritik. Der Tenor: Die Große Koalition gebe zu wenig Geld aus, um den Wert der öffentlichen Infrastruktur und die Wirtschaftskraft zu erhalten.
So sieht es beispielsweise Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er meint, die Regierung könne pro Jahr weitere 10 Milliarden Euro ausgeben, ohne Schulden aufnehmen zu müssen. Fratzscher analysiert, dass Deutschland unter einer „Investitionslücke“ leide.
Sven Kindler, Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag, vermisst die „Zukunftsorientierung“. „Die Investitionsquote ist viel zu niedrig“, so Kindler. Beispielsweise für die Energiewende, Forschung, Bildung und Verkehrsadern müsse die Regierung mehr Mittel zur Verfügung stellen.